Der WM-Boykott in der Schweiz: Zwischen Protest, Pragmatismus und Public Viewing

Fussballfans bejubeln ein Tor beim Public Viewing während der Weltmeisterschaft 2018

Wenn die Weltmeisterschaft in Katar beginnt, steht der Fussball längst nicht mehr allein im Mittelpunkt. Die Kritik am Gastgeberland ist umfassend und reisst nicht ab: Vorwürfe der Missachtung von Menschenrechten, Ausbeutung von Wanderarbeitern beim Bau der Sportstadien, ein enormer ökologischer Fussabdruck sowie Korruption und Spionage bei der Vergabe der WM überschatten das Turnier. Die Frage, ob Sport oder ein symbolischer Boykott die richtige Antwort ist, hat das private Wohnzimmer verlassen und ist zu einem breiten Politikum geworden, das auch in der Schweiz intensiv diskutiert wird. Fußballfans, die sich für frühere Turniere wie die em 2021 spielplan interessieren, verfolgen die Debatte genau.

Westschweiz: Vorreiter beim WM-Boykott

Die Westschweiz nimmt eine Vorreiterrolle beim WM-Boykott ein. Nach dem Vorbild zahlreicher französischer Grossstädte wird in keiner grösseren Stadt der Romandie ein Public Viewing auf öffentlichem Grund veranstaltet. Besonders in Genf war zunächst eine Fanzone mit Grossbildleinwand geplant, doch Mitte Oktober mussten die Veranstalter aufgrund des grossen Widerstands aus der Bevölkerung das Handtuch werfen. Dies zeigt deutlich die Stimmung in der Region und die Bereitschaft, ein klares Zeichen zu setzen.

Auch in Lausanne verzichtet die Stadtverwaltung auf ein Public Viewing, das sie normalerweise seit 2008 für Europa- und Weltmeisterschaften organisiert hat. Noch einen Schritt weiter geht die Stadt Vevey, die jegliche Fanzonen verboten hat. Diese Massnahmen unterstreichen die Entschlossenheit der westschweizerischen Gemeinden, ihren Protest gegen die Umstände der WM deutlich zum Ausdruck zu bringen und ein Bewusstsein für die zugrunde liegenden Probleme zu schaffen.

Zürichs Haltung: Symbolischer Protest und konkrete Folgen

Auch das Zürcher Stadtparlament hat sich klar positioniert. Es nahm ein Postulat der Alternativen Liste (AL) an und machte damit deutlich, dass es gegen die Fussball-WM in Katar protestieren will. Der Stadtrat muss nun prüfen, wie die Stadt ihren Protest gegen die menschenrechtsunwürdige und klimafeindliche Durchführung der Weltmeisterschaft zum Ausdruck bringen kann. Dies beinhaltet die Prüfung des Vorstosses, keine Public Viewings auf öffentlichem Grund zuzulassen oder zu finanzieren.

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Die konkreten Folgen des Zürcher Votums sind zwar minim, aber bedeutsam: Lediglich ein einziger Veranstalter hatte bei der Stadt ein Gesuch für eine Live-Übertragung auf öffentlichem Grund eingereicht. Dieses Gesuch für ein Public Viewing mit 800 Plätzen in der Nähe des Hauptbahnhofs wurde vom Sicherheitsdepartement nicht bewilligt. Dieser Schritt, obwohl nur einen Einzelfall betreffend, sendet eine starke symbolische Botschaft an die Öffentlichkeit und die FIFA.

Bern und die Zurückhaltung: Zwischen Skepsis und Sensibilisierung

Die Stadt Bern hat zwar keinen expliziten WM-Boykott beschlossen, doch das allgemeine Fussballfieber scheint sich dort in Grenzen zu halten. Lediglich ein Gesuch für ein Public Viewing bei der «Grossen Schanze» sei eingegangen und bewilligt worden, berichtet Marc Heeb, Leiter des Polizeiinspektorats. Er betont: „Wir spüren eine gewisse Sensibilisierung und Verunsicherung bei den Veranstaltern, weil die WM in Katar stattfindet. Die Jahreszeit tut ihr Übriges.“ Die kühlen Temperaturen des Novembers tragen sicherlich dazu bei, dass das Interesse an Outdoor-Veranstaltungen geringer ausfällt als bei sommerlichen Turnieren.

Bewusstes Feiern statt strikter Boykott: Ein besonderes Public Viewing

Gegen einen vollständigen Boykott der Fussball-Weltmeisterschaft hat sich «Dr Bitz» in Köniz bei Bern entschieden. In einer leerstehenden Halle findet dort ein Public Viewing für rund 400 Leute statt. Die Besonderheit: Die Fussballspiele werden ohne Werbepausen und Studiogespräche übertragen, um den WM-Sponsoren keine zusätzliche Plattform zu bieten. Stattdessen möchten die Veranstalter gemeinsam mit der Menschenrechtsorganisation Amnesty International aktiv die prekäre Menschenrechtslage in Katar thematisieren.

Beat Wenger, Veranstalter und Inhaber der Agentur Zone B, erklärt: „Wir haben nach einem Weg gesucht, wie man den Sport an der Fussball-WM in Katar trotz vieler Schattenseiten zelebrieren kann.“ Neben den Matches sind Podiumsdiskussionen und eine Fotoausstellung zu Katar geplant. Interessierte können zudem eine Petition von Amnesty International unterschreiben, die Entschädigungen für Arbeitsmigranten in Katar fordert. Auch bei weiteren Public Viewings in der Schweiz ist Amnesty International präsent, um auf die Missstände aufmerksam zu machen und den Sport mit bewusster Aufklärung zu verbinden.

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Wenig Interesse in Ost- und Zentralschweiz

Auch in der Ost- und Zentralschweiz zeichnet sich ein ähnliches Bild ab, mit deutlich weniger Gesuchen für Public Viewings im Vergleich zu früheren Grossereignissen. Dionys Widmer, Mediensprecher der Stadtpolizei St. Gallen, bestätigt dies: „Im Vergleich zu anderen Welt- oder Europameisterschaften sind bei uns viel weniger Gesuche eingegangen. Wir gehen davon aus, dass die Witterung eine grosse Rolle spielt.“ Tatsächlich stehen in der Ostschweiz kaum Zelte für grosse Fanmeilen. Lediglich zwei Bewilligungen wurden laut Widmer ausgestellt.

Ähnlich verhält es sich in Basel, wo bislang keine Anträge für WM-Liveübertragungen auf öffentlichen Plätzen beim zuständigen Baudepartement eingegangen sind. Die Anmeldefristen wären ohnehin nicht mehr einzuhalten gewesen. Zudem hat der Parlamentsdienst keine Kenntnis von Vorstössen betreffend eines WM-Boykotts. Auch in der Zentralschweiz gab es bislang keine politischen Bestrebungen, Public Viewings zu verbieten. Die Städte Luzern und Zug melden, dass bisher keine Anfragen für solche Anlässe im öffentlichen Raum eingegangen sind. Sie haben keine offizielle Haltung zur WM beschlossen, wollen den Betreibern aber grundsätzlich keine Steine in den Weg legen, falls entsprechende Gesuche eingereicht würden. Viele Menschen informieren sich auch allgemein über fussball de über die aktuellen Entwicklungen.

Auffällige Ausnahme: das Tessin

Im Gegensatz zum Grossteil der Schweiz findet im Tessin eine Handvoll Public Viewings im öffentlichen Raum statt. SRF-Korrespondent Marcel Niedermann erklärt, dies liege auch daran, dass es im Südkanton relativ wenig Kritik an der Fussball-WM in Katar gegeben habe. In den Städten Locarno, Bellinzona, Mendrisio und Chiasso gibt es jeweils eine Fanmeile mit Grossbildschirm.

Die einzige Ausnahme bildet Lugano, wo kein Public Viewing eingerichtet wird. Niedermann stellt jedoch klar: „Das hat aber nichts mit Kritik an Katar zu tun. Die Stadt hätte den Platz zur Verfügung gestellt, doch die privaten Betreiber sind abgesprungen.“ Diese Situation zeigt, dass die Gründe für oder gegen Public Viewings vielschichtig sein können und nicht immer direkt mit dem WM-Boykott in Verbindung stehen müssen.

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Symbolpolitik oder wichtiger Protest? Die Bedeutung des Boykotts

Die Frage bleibt: Ist der Boykott von Public Viewings zur Fussball-WM in Katar letztlich reine Symbolpolitik? Mischa Schiwow, Zürcher Gemeinderat und Einreicher des erwähnten AL-Postulats, streitet dies nicht ab. Ihm sei bewusst, dass der Vorstoss spät komme und vor allem symbolischen Wert habe, sagte Schiwow im Zürcher Stadtparlament. „Doch wir können, gerade als Sitz der Fifa, nicht einfach nichts sagen.“ Diese Aussage unterstreicht die Verantwortung, auch wenn die direkten Auswirkungen begrenzt erscheinen mögen.

Fussballfans bejubeln ein Tor beim Public Viewing während der Weltmeisterschaft 2018Fussballfans bejubeln ein Tor beim Public Viewing während der Weltmeisterschaft 2018

Tatsache ist: Beim Anpfiff dürften die wenigen Fanzonen, die in der Schweiz dennoch draussen stattfinden, ohnehin nur wenige Gäste anlocken. Wegen der tiefen Temperaturen werden wohl viele Fans die Wärme ihres Wohnzimmers vorziehen. Dennoch hat die Debatte um den wm boykott eine wichtige Rolle gespielt, um auf die kritischen Aspekte der Weltmeisterschaft in Katar aufmerksam zu machen und ein Bewusstsein für Menschenrechtsfragen im Sport zu schaffen. Die Diskussionen rund um das Turnier könnten auch zukünftige Veranstaltungen, wie die frauen fußball em 2022, beeinflussen.