Werbung und Klimaschutz: Eine kritische Analyse der Werbeindustrie

Bildnis von Dr. Uwe Krüger, dem Studienleiter der Universität Leipzig, der die Klimawirkung von Werbung untersuchte.

Die Rolle von Werbung in unserer Gesellschaft ist omnipräsent, doch ihre Auswirkungen auf den Klimaschutz geraten zunehmend in den Fokus kritischer Betrachtung. Eine aktuelle Studie der Universität Leipzig, durchgeführt im Auftrag der Otto-Brenner-Stiftung, liefert erschreckende Erkenntnisse: Etwa ein Drittel der im deutschen Fernsehen und auf YouTube ausgestrahlten Werbespots bewirbt Produkte und Dienstleistungen, die das Klima nachweislich schädigen. Diese Enthüllung wirft wichtige Fragen bezüglich der ethischen Verantwortung der Werbeindustrie und der Einhaltung bestehender Mediengesetze auf. Die Forschungsgruppe argumentiert, dass solche Praktiken potenziell gegen den Medienstaatsvertrag verstoßen könnten, der die Förderung von Verhaltensweisen untersagt, die in hohem Maße den Schutz der Umwelt gefährden.

Die alarmierenden Ergebnisse der Leipziger Studie im Detail

Für die Studie analysierte das Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Uwe Krüger insgesamt 9.700 Werbespots. Dabei wurde der CO₂-Fußabdruck der beworbenen Produkte und Dienstleistungen akribisch berechnet und bewertet. Das Ergebnis ist eindeutig: Rund 3.000 dieser Werbebotschaften sind als klimaschädlich einzustufen. Besonders betroffen sind dabei alltägliche Güter wie Autos und Süßwaren.

Einige Produktgruppen fielen den Wissenschaftlern zufolge als besonders klimarelevant auf. So wurden beispielsweise 86 Prozent der Werbespots für Süßwaren klimaschädlichen Produkten zugeordnet, wobei insbesondere Schokolade einen beträchtlichen CO₂-Fußabdruck aufweist. Doch auch die Automobilbranche trägt mit 78 Prozent klimaschädlicher Spots erheblich bei, gefolgt von Drogerieartikeln mit 72 Prozent. Diese Zahlen verdeutlichen, wie tiefgreifend und weitverbreitet die Problematik ist. Der Kauf eines einzigen derart beworbenen Artikels kann, so ein weiterer dramatischer Befund, bereits das jährliche CO₂-Budget, das jedem Erdenbürger unter Einhaltung des 1,5-Grad-Klimaziels zustünde, aufbrauchen. Hier stellt sich die Frage nach einer grundsätzlichen Neuausrichtung hin zu umweltfreundliches Konsumverhalten und nachhaltiger Produktion.

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Der Medienstaatsvertrag und die ethische Verantwortung der Werbung

Der Medienstaatsvertrag (MStV) ist das zentrale Regelwerk für Rundfunk und Telemedien in Deutschland. Er enthält klare Vorgaben für Werbung, die nicht nur die Gesundheit und Sicherheit der Konsumenten schützen soll, sondern auch den Umweltschutz in den Vordergrund rückt. Konkret heißt es in § 8 MStV, dass Werbung nicht “Verhaltensweisen fördern [darf], die die Gesundheit oder Sicherheit sowie in hohem Maße den Schutz der Umwelt gefährden”. Die Leipziger Forschenden sehen in der massiven Promotion klimaschädlicher Produkte einen klaren Verstoß gegen diesen Grundsatz.

Diese Interpretation legt nahe, dass die aktuelle betrieblicher umweltschutz in der Werbebranche und die regulatorischen Rahmenbedingungen überprüft und möglicherweise verschärft werden müssen. Es geht nicht nur um die Einhaltung eines Gesetzesbuchstabens, sondern um die moralische und ethische Verpflichtung, in Zeiten einer globalen Klimakrise verantwortungsvoll zu handeln. Werbetreibende und Medienunternehmen tragen eine immense Verantwortung für die Botschaften, die sie verbreiten, und deren langfristige Auswirkungen auf das Konsumverhalten und letztendlich auf unseren Planeten.

Die Absurdität des Konsumappells inmitten der Klimakrise

Dr. Uwe Krüger, der Studienleiter, bringt die Absurdität der Situation auf den Punkt: „Wir sind an Werbung für Autos, Flugreisen, Rindfleisch-Burger, Kaffee und viele andere emissionsstarke Produkte gewöhnt, aber wenn man sich vor Augen führt, dass Werbung eine Form des Appells ist, wird die Absurdität deutlich: Wir appellieren an die Bevölkerung, weiter Klima-Killer zu kaufen und zu konsumieren, während die Klimakrise uns bereits Dürren, Waldbrände, Überschwemmungen, Hitzetote und massives Artensterben beschert.“

Bildnis von Dr. Uwe Krüger, dem Studienleiter der Universität Leipzig, der die Klimawirkung von Werbung untersuchte.Bildnis von Dr. Uwe Krüger, dem Studienleiter der Universität Leipzig, der die Klimawirkung von Werbung untersuchte.

Dieser Appell an den ungezügelten Konsum steht im krassen Widerspruch zu den dringenden Warnungen der Wissenschaft und den sichtbaren Folgen des Klimawandels, die sich in Deutschland und weltweit manifestieren. Die öffentliche Wahrnehmung und das individuelle Handeln werden maßgeblich von den Botschaften geprägt, denen wir täglich ausgesetzt sind. Das Konzept der jakob von uexküll umwelt (Umwelt Jakob von Uexkülls) betont die subjektive Welt, in der Lebewesen agieren. Übertragen auf den Menschen bedeutet dies, dass unsere “Umwelt” stark durch externe Einflüsse, wie eben Werbung, geformt wird. Eine solche Umwelt, die zum klimaschädlichen Konsum anregt, steht einer nachhaltigen Entwicklung entgegen.

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Wege zu einer verantwortungsvolleren Werbung für den Klimaschutz

Angesichts dieser Erkenntnisse ist es unerlässlich, über Lösungsansätze nachzudenken. Eine Möglichkeit ist die Stärkung der regulatorischen Aufsicht und eine klarere Auslegung des Medienstaatsvertrags im Hinblick auf klimaschädliche Werbung. Dies könnte zu strengeren Richtlinien für bestimmte Produktkategorien führen oder eine Kennzeichnungspflicht für den CO₂-Fußabdruck von beworbenen Produkten etablieren.

Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Förderung von Selbstregulierung innerhalb der Werbebranche. Agenturen und Unternehmen könnten freiwillig auf die Bewerbung von “Klima-Killern” verzichten oder verstärkt umwelt von uexküll – im Sinne einer bewussten Gestaltung der Lebensumwelt – in den Vordergrund rücken. Die Nachfrage nach nachhaltigen und bio umwelt -freundlichen Produkten wächst, und die Werbeindustrie könnte eine Schlüsselrolle dabei spielen, diesen Trend zu unterstützen, anstatt ihm entgegenzuwirken. Verbraucherbildung ist ebenfalls entscheidend, um Menschen zu befähigen, fundierte Kaufentscheidungen zu treffen und Greenwashing zu erkennen.

Fazit

Die Studie der Universität Leipzig sendet ein klares Signal: Die aktuelle Praxis der Werbung steht oft im Widerspruch zu den Zielen des Klimaschutzes und den gesetzlichen Anforderungen. Es ist ein Appell an die Werbeindustrie, ihre ethische Verantwortung wahrzunehmen, an die Politik, die bestehenden Gesetze konsequent anzuwenden und gegebenenfalls zu verschärfen, und an die Verbraucher, bewusster zu konsumieren. Nur durch ein gemeinsames Umdenken und Handeln können wir sicherstellen, dass Werbung nicht länger ein Treiber der Klimakrise ist, sondern zu einem Motor für eine nachhaltigere und klimafreundlichere Zukunft wird. Es ist höchste Zeit, dass [Werbung Klimaschutz] Hand in Hand gehen.