Virtual Reality und Augmented Reality in der Chirurgie: Innovative Ausbildung für Mediziner

Einbettung des Modul 4 „VR, AR & Robotik“ in das Blended-Learning-Curriculum „Medizin im digitalen Zeitalter“

Die digitale Transformation prägt zunehmend alle Bereiche unseres Lebens, und die Medizin, insbesondere die Chirurgie, bildet hier keine Ausnahme. Die Integration fortschrittlicher Technologien wie Virtual Reality Und Augmented Reality (VR/AR) revolutioniert nicht nur die Operationssäle, sondern auch die Art und Weise, wie zukünftige Mediziner ausgebildet werden. Angesichts der rasanten Entwicklung besteht ein dringender Bedarf an wissenschaftlich fundierten Lehrkonzepten, die bereits im Medizinstudium ansetzen, um digitale Kompetenzen zu vermitteln. Dieser Artikel beleuchtet ein innovatives Lern- und Lehrkonzept, das genau diesen Herausforderungen begegnet und die chirurgische Ausbildung neu definiert.

In der Medizinausbildung gewinnt die Integration digitaler Kompetenzen, insbesondere im Bereich der promotion technologie apple, zunehmend an Bedeutung. Traditionelle Lehrmethoden reichen oft nicht aus, um Studierende umfassend auf die komplexen Anforderungen einer digitalisierten Gesundheitswelt vorzubereiten. Das vorgestellte Curriculum zielt darauf ab, diese Lücke zu schließen und den medizinischen Nachwuchs aktiv in die Welt der computerassistierten Chirurgie einzuführen.

Die digitale Transformation in der Chirurgie: Warum VR und AR unverzichtbar sind

Der Einsatz von Virtual Reality und Augmented Reality in der operativen Medizin gewinnt exponentiell an Bedeutung. VR-Simulatoren ermöglichen die realitätsnahe Simulation von Operationen, wodurch angehende Chirurgen praktische Fertigkeiten in einer sicheren Umgebung trainieren können. Dies verkürzt nicht nur Lernkurven für minimalinvasive und roboterassistierte Eingriffe, sondern ermöglicht auch ein präoperatives „Warm-up“, das die Leistungsfähigkeit im realen OP verbessert. Die Kombination von VR-Simulatoren mit immersiven VR-Brillen vertieft das Eintauchen in eine virtuelle Operationsumgebung, was das Lernerlebnis erheblich intensiviert.

Darüber hinaus werden AR-Technologien zunehmend intraoperativ eingesetzt. Präoperative Schnittbilddaten können nach dreidimensionaler Rekonstruktion während einer Operation zur Navigation genutzt werden. Zukünftig sollen patientenspezifische 3D-Rekonstruktionen direkt auf das reale Organ oder Körperteil projiziert werden können, um die intraoperative Orientierung weiter zu optimieren und die Präzision chirurgischer Eingriffe zu erhöhen. Angesichts dieser Entwicklungen ist eine frühzeitige Berücksichtigung dieser Technologien in der medizinischen Aus- und Weiterbildung essenziell.

Heutige Studierende, oft als „Digital Natives“ bezeichnet, interagieren zwar täglich mit digitalen Medien, bewegen sich jedoch meist auf einer Konsumentenebene. Dies allein qualifiziert sie nicht für die komplexen digitalen berufsspezifischen Handlungskompetenzen, die in der Chirurgie der Zukunft erforderlich sind. Bislang adressieren weder der Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog (NKLM) noch der Masterplan Medizinstudium 2020 die Aspekte der digitalen Transformation hinreichend. Das hier vorgestellte Curriculum schlägt eine Brücke zwischen der rasanten technologischen Entwicklung und den Anforderungen an eine verantwortungsbewusste medizinische Ausbildung.

Ein innovatives Lernkonzept: Das Mainzer Curriculum “Medizin im digitalen Zeitalter”

An der Universitätsmedizin Mainz wurde seit dem Sommersemester 2017 ein modulares Blended-Learning-Curriculum namens „Medizin im digitalen Zeitalter“ etabliert. Dieses Curriculum basiert auf evidenzbasierten Systematiken und zielt darauf ab, Studierende umfassend auf die Herausforderungen der digitalisierten Medizin vorzubereiten. Ein zentraler Bestandteil ist das Modul 4, das sich speziell den Themen Virtual Reality, Augmented Reality und Robotik in der Chirurgie widmet.

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Dieses vierte Modul gliedert sich in mehrere interaktive Kursteile, die den Studierenden ein breites Spektrum an praktischen Erfahrungen und theoretischem Wissen vermitteln:

  1. Immersive Simulation: Eine hochimmersive Simulation einer laparoskopischen Cholezystektomie (Gallenblasenentfernung) ermöglicht den Studierenden, einen minimalinvasiven Eingriff virtuell zu erleben und zu üben.
  2. Leberchirurgische Operationsplanung mittels AR/VR: Hier lernen die Teilnehmer, komplexe Leberoperationen mithilfe von AR- und VR-Technologien zu planen, basierend auf patientenspezifischen 3D-Rekonstruktionen.
  3. Basisfertigkeiten am VR-Simulator für robotische Chirurgie: Studierende erproben erste manuelle Fertigkeiten an einem speziellen VR-Simulator, der die Handhabung roboterassistierter Instrumente simuliert.
  4. Kollaborative OP-Planung im virtuellen Raum: In Teamarbeit planen die Studierenden gemeinsam Operationen in einer virtuellen Umgebung, was die Zusammenarbeit und strategisches Denken fördert.
  5. Expertengespräch: Ein direkter Austausch mit erfahrenen Viszeralchirurgen bietet den Studierenden die Möglichkeit, Fragen zu stellen und tiefergehende Einblicke in die praktische Anwendung der Technologien zu erhalten.

Das Curriculum wurde von 35 Studierenden des 7. bis 9. Fachsemesters in drei Kursen durchlaufen und von vier chirurgischen Dozierenden betreut. Die Kurse fanden in der „Rudolf Frey Lernklinik“ der Universitätsmedizin Mainz statt, die mit modernster digitaler Simulationstechnik ausgestattet ist.

Einbettung des Modul 4 „VR, AR & Robotik“ in das Blended-Learning-Curriculum „Medizin im digitalen Zeitalter“Einbettung des Modul 4 „VR, AR & Robotik“ in das Blended-Learning-Curriculum „Medizin im digitalen Zeitalter“

Praktisches Lernen und die Rolle der Lernbegleiter

Die Vorbereitung auf das Modul erfolgte mittels eines E-Books, und für die Kurskommunikation wurde ein digitales Kommunikationstool (SLACK) eingesetzt. Ein multimedialer Impulsvortrag mit klinischem Fallbeispiel führte in die Thematik ein, vermittelte aktuelle Forschungsergebnisse und Zukunftsvisionen. Dabei wurden Lernziele und Erwartungen im Dialog mit den Dozierenden formuliert, die während des gesamten Kursverlaufs die Rolle von Lernbegleitern einnahmen. Diese Rolle, bekannt aus dem problemorientierten Lernen, stellt die Studierenden in den Mittelpunkt und fördert eine aktive und konstruktive Auseinandersetzung mit den Inhalten. Die Chirurgen moderierten den Lernprozess und unterstützten die Studierenden in ihrer selbstverantwortlichen Erarbeitung der Inhalte.

Das Herzstück des Moduls ist das „Lernen durch Erfahrung“. Die Studierenden interagierten in Zweiergruppen mit verschiedenen VR-/AR-Technologien. Sie durchliefen die hochimmersive VR-Simulation einer minimalinvasiven Cholezystektomie, bei der sie am Simulator eine virtuelle Operation auf einem Monitor verfolgten und zusätzlich mithilfe einer VR-Brille in einen virtuellen Operationssaal eintauchten. Anschließend planten sie mithilfe eines VR- und eines AR-Headsets die Operation eines Lebertumors. An einer dritten Station erprobten sie erste Basisfertigkeiten am VR-Simulator für robotische Chirurgie, dem Mimic dV-Trainer. Optional konnte im Team mit zwei VR-Brillen an einem virtuellen Lebermodell kollaborativ gearbeitet und strategisch geplant werden, was die Bedeutung der Zusammenarbeit in der modernen Chirurgie unterstreicht.

Übung zur Gefäßdissektion am virtuellen Simulator für robotische Chirurgie (Mimic dV-Trainer)Übung zur Gefäßdissektion am virtuellen Simulator für robotische Chirurgie (Mimic dV-Trainer)

Die technische Ausstattung umfasste modernste Geräte, darunter den VR-Laparoskopiesimulator LapSim, den VR-Robotiksimulator Mimic dV-Trainer, sowie VR-Brillen (HTC VIVE, HTC VIVE Pro) und AR-Brillen (Microsoft HoloLens). Diese Werkzeuge ermöglichten nicht nur immersive Lernerfahrungen, sondern auch die Erprobung realitätsnaher chirurgischer Szenarien.

Die Bedeutung des Expertengesprächs

Ein herausragender Bestandteil des Kurskonzepts war das Experteninterview. In kleinen Gruppen (zwei bis drei Studierende) hatten die Teilnehmer jeweils 20 Minuten Zeit, einen erfahrenen Viszeralchirurgen zu befragen. Die Fragen wurden von den Studierenden im Vorfeld erarbeitet und über die digitale Kommunikationsplattform ausgetauscht. Diese direkte Interaktion mit einem Spezialisten für computerassistierte Chirurgie wurde von den Studierenden als elementarer Bestandteil gewertet. Es bot eine seltene Gelegenheit, professionelles chirurgisches Handeln mit einem Rollenmodell zu diskutieren, die erlebte Praxiserfahrung zu festigen und eine differenzierte Haltung gegenüber Virtual Reality und Augmented Reality sowie der Robotik zu entwickeln. Diese Gespräche trugen maßgeblich zu einem hohen Lernerfolg und einer nachhaltigen Wissensaneignung bei.

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Positive Resonanz: Qualitative und quantitative Evaluationsergebnisse

Die umfassende Evaluation des Kurskonzepts erfolgte sowohl qualitativ durch semistrukturierte Interviews als auch quantitativ mittels standardisierter Prä-post-Evaluationsfragebögen. Die Ergebnisse belegen die hohe Akzeptanz und Wirksamkeit des Curriculums.

Die qualitative Auswertung der Interviews offenbarte eine große Begeisterung der Studierenden. Insgesamt wurden 79 Textaussagen der Kategorie „Virtual Reality, Augmented Reality und Robotik“ zugeordnet. Der größte Anteil (35 %) entfiel auf das „Expertengespräch“, das als elementar und wertschätzend empfunden wurde. Die Möglichkeit des direkten Austauschs mit erfahrenen Operateuren festigte die Praxiserfahrung und förderte die Entwicklung einer kritisch-reflexiven Haltung gegenüber neuen Technologien.

Ein weiterer Schwerpunkt war das „Lernerlebnis“ (29 % der Aussagen), bei dem die Studierenden ihren erstmaligen Kontakt mit hochdigitalisierter Medizintechnik als horizonterweiternd beschrieben. Die Kategorie „Praxisbezug“ oder „praktische Handlungserfahrung“ (27 %) verdeutlichte die positiven Lernerfolge, die insbesondere durch das praktische Ausprobieren der Technik und die angestoßene Reflexion in Gesprächen und Diskussionen erzielt wurden. Die Studierenden betonten die hohe Motivation, die durch die intensive und kreative Zusammenarbeit untereinander und mit den Chirurgen entstand. Lediglich 9 % der Aussagen bezogen sich auf „Digital Literacy“, was eine ganzheitliche Auseinandersetzung mit digitalen Fertigkeiten und einem kritischen Umgang mit Daten beschreibt. Die Studierenden wünschten sich längere Unterrichtseinheiten und mehr „hands-on“-Anteile, um noch tiefer in die Materie eintauchen zu können.

Ergebnisse der qualitativen Evaluation anhand semistrukturierter Interviews, mit Anteilen der Kategorien und ZitatenErgebnisse der qualitativen Evaluation anhand semistrukturierter Interviews, mit Anteilen der Kategorien und Zitaten

Die quantitative Prä-post-Evaluation zeigte ebenfalls eine signifikante positive Entwicklung in der Selbsteinschätzung des Lernerfolgs. Die Teilkompetenzen Wissen und Fertigkeiten verbesserten sich deutlich:

  • Wissen: Vorher 3,08 ± 1,44; nachher 6,08 ± 0,67
  • Fertigkeiten: Vorher 2,00 ± 1,41; nachher 4,75 ± 1,54

Zudem verschob sich die Haltung der Teilnehmenden gegenüber den neuen Technologien vom neutralen in den positiven Bereich (vorher 4,08 ± 1,68; nachher 5,83 ± 1,03). Diese Ergebnisse unterstreichen, dass das Curriculum nicht nur Wissen und Fertigkeiten vermittelt, sondern auch eine positive und aufgeschlossene Haltung gegenüber der digitalen Transformation in der Medizin fördert.

Quantitative Prä-post-Vergleichsergebnisse für Wissen, Fertigkeiten und Haltung zu Virtual Reality, Augmented Reality und RobotikQuantitative Prä-post-Vergleichsergebnisse für Wissen, Fertigkeiten und Haltung zu Virtual Reality, Augmented Reality und Robotik

Herausforderungen und Zukunftsperspektiven

Die Implementierung solcher innovativer Lehrkonzepte ist jedoch nicht ohne Herausforderungen. Eine klare Limitation besteht zum jetzigen Zeitpunkt hinsichtlich des hohen Aufwands, der durch die technische Ausstattung und die personalintensive Umsetzung der praktischen Anteile entsteht. Dennoch ist der Nutzen von VR- und AR-Technologien für die medizinische Ausbildung unbestreitbar. Schon 1993 erkannte der Chirurg und Militärpilot R. Satava die immense Bedeutung der Simulation für die zukünftige chirurgische Ausbildung. Das Hochschulforum Digitalisierung stuft VR und AR seit 2016 als Schlüsseltechnologien ein, die die Hochschulbildung maßgeblich beeinflussen werden.

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Die Studienergebnisse zeigen eindrucksvoll, dass kontextuelle Lernerlebnisse möglich sind und Studierende frühzeitig für das Fach Chirurgie begeistert werden können. Dies ist besonders relevant, da derzeit nur etwa 30 % der deutschen Universitätskliniken über Simulatoren zur VR-Simulation verfügen und deren curriculärer Einsatz oft unklar ist. Das in Mainz beschriebene Skills-Training in der virtuellen Realität mit seinem unmittelbaren Praxisbezug hebt sich hier positiv ab. Aktuelle Literaturanalysen belegen die Überlegenheit von VR- und Box-Trainern gegenüber reinen Videotrainern oder „dry laboratory simulationen“ zur Verbesserung der Aus- und Weiterbildung.

Die Digitalisierung der Chirurgie und der gesamten Medizin ist ein fundamentaler Wandlungsprozess, dessen Einfluss auf das zukünftige Berufsbild des Arztes noch nicht vollständig abzuschätzen ist. Eines steht jedoch fest: Eine begleitende Ausbildung ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass zukünftige Mediziner für die Herausforderungen der digitalen Ära gerüstet sind. Dabei spielt auch die kontinuierliche [provadis partner für bildung und beratung gmbh](https://de.viettopreview.vn/provadis-partner-fur-bildung-und-beratung-gmbh/) eine entscheidende Rolle. Zukünftige Mediziner müssen lernen, Szenarien, die den Ersatz des chirurgischen Berufs durch künstliche Intelligenz und Robotik prognostizieren, kritisch zu hinterfragen und im Dialog mit Experten aus der Praxiserfahrung heraus zu diskutieren.

Durch diesen Dialog und in Kombination mit den Handlungserfahrungen aus der VR/AR wird ein weiterer Schwerpunkt des Curriculums gestärkt: die Vermittlung einer Haltung. Die Reflexion der eigenen Haltung gegenüber neuen digitalen Technologien und Medien, dem weiten Themenkomplex des digitalen Wandels (Künstliche Intelligenz, Datenschutz, Ethik) spielt eine wichtige Rolle. Dieser Aspekt wird zu einem zentralen Lernmoment, da Studierende sich mit der Aktualität und Realität der technischen Entwicklungen auseinandersetzen können. Der chirurgische Lehrer nimmt dabei die Rolle des Lernbegleiters ein, der den Erfahrungsaustausch in der Peergroup sowie mit Experten fördert.

Das praktische Eingreifen der Studierenden in das Geschehen bietet die Möglichkeit, Lernende aktiv in die Ausbildung einzubinden und Wissensinhalte virtuell im entsprechenden situativen und sozialen Kontext zu erleben. In weiterentwickelten Konzepten zur kollaborativen Zusammenarbeit über Distanzen können mithilfe der gewonnenen Erfahrung neue Lehransätze exploriert werden. Dabei ist die Kombination von quantitativer und qualitativer Evaluation nach iterativem Prinzip Voraussetzung, um agil und genau die Bedürfnisse sowohl der Studierenden als auch der Dozierenden an die Rahmenbedingungen anzupassen. Die Integration dieser „chirurgisch“ vermittelten digitalen Kompetenzen in das Curriculum des Medizinstudiums ist somit nicht nur eine aktuelle, sondern auch eine fortwährende Herausforderung, die eine agile iterative Anpassung erfordert.

Fazit

Das modulare Lehr-Lern-Setting an der Universitätsmedizin Mainz, basierend auf Virtual Reality und Augmented Reality, repräsentiert einen zeitgemäßen und zukunftsweisenden Ansatz in der medizinischen Ausbildung. Die positiven Veränderungen in den Kompetenzbereichen Wissen, Fertigkeiten und Haltung der Studierenden spiegeln den Erfolg dieses innovativen Curriculums wider. Es ist entscheidend, dass die enorme Geschwindigkeit des digitalen Wandlungsprozesses in der Medizin anerkannt und in der Gestaltung zukünftiger Lehrpläne berücksichtigt wird. Die kontinuierliche Integration und agile Anpassung solcher digitalen Kompetenzen in das Medizinstudium ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass die nächste Generation von Ärzten optimal auf die Herausforderungen und Chancen der digitalen Ära vorbereitet ist. Werden Sie Teil dieser Transformation und engagieren Sie sich für eine innovative medizinische Ausbildung!