Moin! Als Kaffee-Experte bei Coffeeness habe ich über die Jahre eine wechselhafte Beziehung zu Tchibo und ihren Kaffeevollautomaten entwickelt. Manchmal überrascht mich die Urmarke der deutschen Kaffeebar-Kultur positiv, wie etwa in meinem Tchibo Blonde Roast Test. Dann wiederum stellen sich mir die Haare zu Berge, wenn das Unternehmen stolz verkündet, Kaffeepreise zu senken, weil der Weltmarktpreis so niedrig ist. Tchibo bewegt sich oft unauffällig im Mittelfeld, tut selten etwas richtig gut, aber auch selten richtig falsch – bis sie mit dem Tchibo Kaffeevollautomat Esperto Caffè Anthrazit auf den Plan treten und ihn vollmundig als “ersten eigenen Kaffeevollautomaten” bewerben. Sie boten mir das Gerät für den Kaffeevollautomaten Test an, überzeugt von ihrer Maschine.
Aus Gründen der Unabhängigkeit habe ich den Tchibo Esperto Caffè Anthrazit schließlich selbst in einer Filiale gekauft, um die Behauptungen des Herstellers auf Herz und Nieren zu prüfen. Meine anfängliche Skepsis erwies sich als nicht ganz unbegründet, denn der Tchibo Esperto Caffè Anthrazit liefert praktisch keinen Neuigkeitswert – abgesehen vom Tchibo-Bohnenemblem am verstellbaren Auslauf. Die kompakte Maschine ohne Milchschaumsystem ist lediglich eine Nachahmung des Melitta Caffeo Solo und zu 100 Prozent baugleich mit einem bereits existierenden Severin-Gerät. Macht dieses Whitelabeling den Tchibo Esperto Caffè Anthrazit zu einem schlechten Kaffeevollautomaten? Nein, aber zu einem, der seine Herkunft verschleiert und so das Vertrauen der Kunden unnötig strapaziert.
Der Tchibo Vollautomat Esperto Caffè Anthrazit im Überblick: Schicker Minimalist mit Tücken
Mein Eindruck, dass es sich beim Tchibo Kaffeevollautomat Esperto Caffè Anthrazit um eine Whitelabel-Version von Severin handelt, wollte ich nicht ohne Belege in die Welt posaunen. Meine Anfrage bei Tchibo wurde nur mit “kein Kommentar” beantwortet. Das ist für mich eine Bestätigung. Ich habe grundsätzlich nichts gegen solch ein Vorgehen, finde es aber jedes Mal aufs Neue lächerlich, wenn dem Kunden suggeriert wird, er bekäme etwas Ultraspezielles und Superneues. Das gleicht dem Marketing um sogenannte Crema-Bohnen. Bei Tchibo klingt das dann so:
“Der erste Tchibo Vollautomat ist da! Entwickelt von unseren Kaffee-Experten, speziell abgestimmt für Tchibo Kaffees.”
Meiner Meinung nach wurde hier nichts “entwickelt” – und wie man eine Maschine “speziell” auf eine ganze Reihe von Kaffees abstimmt, ist mir ebenfalls ein Rätsel.
Es ist jedoch festzuhalten, dass das offensichtliche Vorbild, der Severin KV8090, in vielen Shops oft teurer ist als die Tchibo-Variante. Die Preisunterschiede schwanken jedoch, und manchmal ist Severin auch rund 40 Euro günstiger. Den besten Preis erzielt man oft mit einer Kundenkarte in der Tchibo-Filiale, was einen zusätzlichen Rabatt von 50 Euro verspricht – allerdings wohl auch unerwünschte Werbung nach sich zieht.
Doch wollen wir den Tchibo Esperto Caffè Anthrazit nicht nur im Vergleich zum Vorbild sehen, sondern das Gerät an sich bewerten. Hier kann Tchibo durchaus punkten: Der hochwertige Eindruck und der hohe Edelstahlanteil an der Oberfläche sind für ein Gerät dieser Preisklasse nicht selbstverständlich. Die Wahl des Gehäusematerials in Anthrazit verleiht der Maschine eine edle, moderne Optik, die sich gut in viele Küchenlandschaften einfügt.
Analog zum Melitta Caffeo Solo verzichtet auch der Tchibo Vollautomat Esperto Caffè Anthrazit vollständig auf ein Milchschaumsystem. Er bietet zudem nur drei Getränke-Versionen: Espresso, Caffè Crema und Americano. Diese Varianten sind tatsächlich die einzigen klar abgegrenzten Stile, die ein Vollautomat ohne Milchfunktion realistisch zubereiten kann. Alles andere, wie etwa ein Ristretto, ist lediglich eine Spielart dieser Hauptkategorien. Insofern ist diese minimalistische Funktionalität absolut sinnvoll und trägt zur Übersichtlichkeit bei. Der Minimalismus zeigt sich auch im aufgeräumten Display mit wenigen Touch-Symbolen und der sehr geringen Breite der Maschine.
Die Kehrseite dieser kompakten Bauweise: Wassertank (1,1 Liter) und Abtropfschale sind nicht gerade geräumig. Da jedoch weniger Wasser benötigt wird (auch weil kein Wasserdampf für Milchschaum anfällt), stellt dies im Alltag kaum ein Problem dar. Der Bohnenbehälter, mit einem vergleichsweise geringen Fassungsvermögen von 160 Gramm, kann per Aufsatz auf 300 Gramm erweitert werden. Dies mag zwar die Kapazität erhöhen, lässt das Gerät optisch jedoch unschön und “zusammengeschustert” wirken. Zudem sind 300 Gramm Bohnen selten auf einmal nötig – für Büros ist dieser Vollautomat ohnehin nicht ausgelegt.
Arne Preuss testet Caffè Crema aus dem Tchibo Esperto Caffè Anthrazit
Als große Besonderheit wird die „Intense+ Technologie“ angepriesen, die eine eigene Taste besitzt. Ohne Marketing-Quark ist dies nichts weiter als eine Funktion zur Erhöhung der Kaffeestärke. Kleiner Spoiler: Diese Taste wird zu Ihrem liebsten Freund bei der Anwendung. Ein stufenloses Kegelmahlwerk aus Edelstahl komplettiert den durchaus gelungenen Ersteindruck – vor allem zu diesem Preis. Nur das Marketing-Geblubber überschattet das positive Gesamtbild. Für alle, die Wert auf einen kompakten, puristischen Kaffeevollautomaten legen, der sich auf das Wesentliche konzentriert, könnte der Tchibo Esperto Caffè Anthrazit eine Überlegung wert sein. Wenn Sie auf der Suche nach einem umfassenden Überblick über andere Maschinen sind, könnte auch ein Blick auf einen kaffeemaschine mit mahlwerk testsieger 2021 hilfreich sein, um die Vielfalt des Marktes zu erkennen.
Tchibo Esperto Caffè Anthrazit mit unansehnlichem Bohnenbehälter-Aufsatz
Mahlwerk und Espresso einstellen: Ein kleiner Kraftakt für das Mahlergebnis
Aus Effizienzgründen kam mein frisch erworbenes Exemplar des Tchibo Esperto Caffè Anthrazit noch am selben Tag bei unserem großen Koffein Test zum Einsatz. Wir brauchten ja einen Vollautomaten. Während ich mit Kamera-Arbeit und dem Aufgießen diverser Kaffeeproben beschäftigt war, hatte Nadine von den Flying Roasters in Berlin-Wedding sich bereit erklärt, das Gerät startklar zu machen – also den Mahlgrad zu optimieren, die Einstellungen auf Espresso zu trimmen und die richtige Balance für die Testbohnen zu finden.
Ganz reibungslos lief das nicht, sie war danach reichlich genervt. Zwar konnte sie den Mahlgrad problemlos auf die feinste Stufe verstellen und hatte auch die Möglichkeit, die Mindestmenge für einen sauberen Espresso auf optimale 25 Milliliter zu senken. Doch es kam immer nur eine plörrige Konsistenz heraus. Die verarbeitete Kaffeemenge beim Tchibo Esperto Caffè Anthrazit ist ohne die Intense-Taste immer zu niedrig. Und hier fehlt leider die Möglichkeit, dies feinteiliger zu ändern. Anstatt “Intense+” sollte die Taste also eher “Normalnull” heißen.
Auch ist die “feinste” Stufe des Mahlwerks für ein überzeugendes Ergebnis immer noch zu grob. Hier zeigen beispielsweise die erschwinglichen Modelle von DeLonghi, was in dieser Preisklasse möglich ist. Auch dem direkten Konkurrenten Melitta Caffeo Solo ist das besser gelungen. Wenn Sie eine Alternative mit Thermoskanne in Betracht ziehen, könnte ein kaffeemaschine thermoskanne test weitere Einblicke bieten.
Die besten Kaffeebohnen & Geräte-Einstellungen für den Tchibo Esperto Caffè Anthrazit
Wir haben einen Kaffee extra für Kaffeevollautomaten entwickelt, der hervorragend für alle Getränke aus dem Tchibo Esperto Caffè Anthrazit geeignet ist. So gelingt der Espresso, schwarzer Kaffee und Latte Macchiato (sofern Sie Milch manuell aufschäumen). Denn mit altem und schlechtem Kaffee bringen auch die besten Einstellungen nichts. Nur wer oben etwas Gutes einfüllt, bekommt auch unten etwas Gutes heraus!
Das sind die richtigen Einstellungen für unseren Kaffee mit dem Tchibo Esperto Caffè Anthrazit:
- Leider mahlt das Mahlwerk des Esperto Caffè Anthrazit zu grob. Somit muss die feinste Stufe auf jeden Fall eingestellt werden. Achtung: Bitte immer nur bei laufendem Mahlwerk verstellen!
- Die Bezugsmenge konnte ich glücklicherweise auf perfekte 25 ml einstellen.
- Ich empfehle IMMER, die „Intense+”-Taste auszuwählen. Ohne diesen Extraschub an Kaffeepulver kommt meiner Meinung nach kein brauchbarer Kaffee zustande.
Der Espresso: Nach dem Geschmack des Tchibo-Kunden?
Trotz Intense+, wenig Wasser, feinstem Mahlgrad und kräftigen Bohnen war der Espresso nicht besonders körperreich. Ein klar wässriger Eindruck war bei jedem Schluck dabei. Der Espresso war sicher keine Katastrophe, lieferte aber auch keinen so überzeugenden Gesamteindruck, dass mir das Gerät irgendwie positiv im Gedächtnis bleiben würde. Aber hey, vielleicht hätte ich Tchibo-Bohnen benutzen sollen. Dafür ist der Automat schließlich gemacht – Zwinker, Zwinker.
Der Caffè Crema erinnerte ebenfalls eher an Omas Blümchen-Gebräu. Der Vollständigkeit halber habe ich noch den Americano getestet, der nicht nur heißer war als der Rest, sondern auch etwas mehr Geschmack ins Spiel brachte als der Crema. Möglicherweise sind die Vorlieben des typischen Tchibo-Käufers da wirklich anders als meine. Das sage ich jetzt nicht mit Häme. Den Hersteller brauche ich da sicher nicht fragen, das fällt wohl wieder in die “Kein Kommentar”-Kategorie. Wer sich grundsätzlich für verschiedene Kaffeemaschinen-Typen interessiert, findet bei einer siebträger kaffeemaschine eine ganz andere Herangehensweise an die Kaffeezubereitung.
Frisch zubereiteter Espresso und Caffè Crema aus dem Tchibo Esperto Caffè Anthrazit
Reinigung des Tchibo Esperto Caffè Anthrazit: Alles ein bisschen kleiner
Die kompakten Maße des Tchibo Esperto Caffè Anthrazit sorgen zwar dafür, dass die Auffangschale öfter gereinigt werden muss, ansonsten bietet ein kleines Gerät bei der Reinigung jedoch auch Vorteile. Die kleinen Bauteile finden selbst in vollen Spülmaschinen immer noch einen Platz und sind auch unter dem Wasserhahn oder im Spülbecken ruckzuck sauber. Alle wichtigen Dinge lassen sich hier gut entnehmen – auch die Brühgruppe. Erschrecken Sie aber nicht. Sie wirkt zwar wie ein Gimmick aus dem YPS-Heft, ist aber echt.
Sie ist offensichtlich wesentlich kleiner als bei vielen anderen Kaffeevollautomaten im Test, erledigt ihren Job aber dennoch halbwegs gut. Und weil sie so klein ist, können Sie sie beim Abspülen perfekt von allen Seiten säubern, bürsten und schnell wieder trocknen. Im direkten Vergleich mit Melitta zeigt sich nur noch einmal, dass etwas mehr Geld auch für hochwertigere Komponenten sorgt. Bei deren Brühgruppe hatte ich jedenfalls nie das Gefühl, es mit einer Comic-Beilage zu tun zu haben.
Zum Entnehmen müssen Sie nur eine Serviceklappe an der Seite öffnen. Ich würde Ihnen empfehlen, beim täglichen Abspülen der Brühgruppe auch gleich den Bereich hinter der Serviceklappe zu reinigen. Da sammelt sich nämlich sehr schnell sehr viel Kaffeepulver an. Wer Wert auf die leichte Reinigung des Wassertanks legt, könnte auch einen Blick auf den test kaffeemaschine mit abnehmbaren wassertank und thermoskanne werfen.
Herausnehmbare Brühgruppe des Tchibo Esperto Caffè Anthrazit zur einfachen Reinigung
Fazit zum Tchibo Esperto Caffè Anthrazit: Mehr Klarheit, weniger Quark
Ich frage mich, warum man in der Kaffeewelt so darauf erpicht ist, als geschlossenes Markensystem wahrgenommen zu werden. In der Modewelt sind Kollaborationen an der Tagesordnung – und mit dem Label „Marke A x Marke B“ sogar ausnehmend hip. Beide Marken profitieren von den Stärken der jeweils anderen und werden damit nur noch beliebter. Hätte eine „Tchibo x Severin“-Collab nicht den gleichen Effekt haben können? Was soll die Geheimniskrämerei? Ist Tchibo am Ende das Image von Severin gar zu piefig?
Was auch immer der Grund ist, er sorgt für behämmertes Marketing, das sich oft als glatt geflunkert herausstellt. Und dies wiederum drückt den eigentlich ordentlichen Eindruck, den ich von einem Kaffeevollautomaten im Test habe, nach unten. Der Tchibo Kaffeevollautomat Esperto Caffè Anthrazit ist brauchbar, zumal er ein angenehmes (und außergewöhnliches) Preisschild hat. Sein Look und seine reduzierte Funktionalität können überzeugen. Die kompakten Maße sind ebenfalls ein großes Plus und machen ihn ideal für kleinere Küchen oder als Zweitgerät.
Der Espresso könnte definitiv voller sein, dürfte aber vielen Leuten besser schmecken als mir. Es bliebe zwar zu diskutieren, ob ein Milchschaumsystem nicht irgendwie immer zu einem Vollautomaten gehört. Doch wie schon der wirklich überzeugende Melitta Caffeo Solo gezeigt hat, ist das wohl eine Glaubensfrage.
Keine Glaubensfrage ist aber, dass ich mir mehr Offenheit bei neuen Produkten wünsche. Kundenverarsche fetzt nicht. So könnte der Esperto beispielsweise problemlos über sein tolles Preisschild beworben werden. Oder über seinen schnieken Look. Oder seine kompakten Maße. Für Kaffeeliebhaber, die sich auf Espresso und Caffè Crema beschränken möchten und ein preiswertes, platzsparendes Gerät suchen, ist der Tchibo Esperto Caffè Anthrazit trotz der Marketing-Mängel eine solide Wahl.
Welche Meinung habt ihr dazu? Kommentiert und diskutiert, was das Zeug hält!
