Der VfB Stuttgart steckt tief im Abstiegskampf der Bundesliga, doch ein vielbeachteter Neuzugang sorgt für Aufbruchstimmung. Am Mittwoch, dem 10. April, konnte der schwäbische Traditionsverein Sven Mislintat als neuen Sportdirektor verpflichten. Diese Nachricht, die in Deutschland hohe Wellen schlug, könnte sich als entscheidender Schachzug in einer schwierigen Saison erweisen. Mislintat, bekannt als der „Diamantenauge“ des Fußballs, bringt eine beeindruckende Erfolgsbilanz mit, die Fans und Experten gleichermaßen hoffen lässt.
Sven Mislintat: Das “Diamantenauge” kommt zum VfB
Sven Mislintat gilt als einer der begehrtesten Talentscouts und Kaderplaner im europäischen Fußball. Seine Reputation gründet auf einer bemerkenswerten Fähigkeit, verborgene Talente zu entdecken und zu fördern. Während seiner Zeit als Chefscout bei Borussia Dortmund war er maßgeblich an der Entdeckung von Spielern wie Shinji Kagawa, Pierre-Emerick Aubameyang und Ousmane Dembélé beteiligt, die sich später zu Weltklassespielern entwickelten. Auch beim FC Arsenal, wo er als Head of Recruitment tätig war, verantwortete er die Verpflichtung von Lucas Torreira und Mattéo Guendouzi, bevor er den Verein im Februar aufgrund interner Querelen verließ.
Mislintats Ankunft in Stuttgart wird als Coup des VfB gewertet. Die Erwartungen sind hoch, dass er seine Expertise und sein Netzwerk nutzen kann, um den Kader des VfB Stuttgart langfristig zu stärken und den Verein wieder in erfolgreichere Bahnen zu lenken. Sein Ansatz, auf datenbasierte Analysen und eine klare Transferstrategie zu setzen, verspricht eine Neuausrichtung der sportlichen Führung.
VfB Stuttgart: Ein schlafender Riese im Abstiegskampf
Aktuell belegt der VfB Stuttgart den 16. Tabellenplatz, der am Ende der Saison zu den Relegationsspielen berechtigen würde. Mit 21 Punkten aus 28 Spielen ist der Abstand zu einem Nicht-Abstiegsplatz zwar gering – nur vier Punkte trennen die Schwaben vom viertletzten FC Augsburg –, doch die Gefahr des direkten Abstiegs ist real. Der 1. FC Nürnberg auf Platz 17 hat mit 17 Punkten einen Rückstand von vier Zählern auf den VfB.
Trotz der prekären sportlichen Lage wird der VfB Stuttgart oft als „schlafender Riese“ bezeichnet. Der Verein kann auf eine glorreiche Vergangenheit zurückblicken, darunter fünf deutsche Meisterschaften – der letzte Titelgewinn im Jahr 2007 – und drei DFB-Pokalsiege. Nach dem Aufstieg am Ende der Saison 2016/17 beendete der VfB die folgende Spielzeit auf einem respektablen siebten Platz und verpasste die Europa-League-Qualifikation nur knapp. Viele Experten hatten den VfB vor dieser Saison sogar als Anwärter auf die europäischen Plätze gesehen, was die aktuelle Situation umso enttäuschender macht.
Sven Mislintat lächelt vor einem Champions-League-Spiel von Borussia Dortmund gegen Tottenham Hotspur im Signal Iduna Park
Die finanzielle Stärke und Fankultur des VfB
Die Bezeichnung “schlafender Riese” ist nicht nur auf die sportliche Geschichte zurückzuführen, sondern auch auf die beeindruckende Fankultur und finanzielle Basis des Vereins. Der VfB Stuttgart zählt rund 65.000 Mitglieder und ist Inhaber eines modernen Weltmeisterschaftsstadions mit einer Kapazität von 60.449 Plätzen, das für die Europameisterschaft 2024 in Deutschland eine umfassende Modernisierung erfahren wird. Stuttgart ist zudem ein bedeutendes Industriezentrum in Süddeutschland, was sich auch in der Partnerschaft mit der Daimler AG widerspiegelt. Nach dem Aufstieg in die Bundesliga im Jahr 2017 investierte Daimler in den Verein.
Bei einer außerordentlichen Mitgliederversammlung im Mercedes-Benz Stadion stimmten 84,2 % der rund 14.000 anwesenden Mitglieder für die Ausgliederung der Profifußballabteilung. Diese neue wirtschaftliche Struktur ermöglichte dem VfB Stuttgart, 11,5 % der Anteile für 41,5 Millionen Euro an die Daimler AG zu verkaufen. Der Verein plant zudem, durch den Verkauf weiterer Anteile zusätzliche 60 Millionen Euro zu generieren. Diese Zahlen sind außergewöhnlich für einen Verein, der kurz zuvor noch in der zweiten Liga spielte.
Auch die Zuschauerzahlen des VfB Stuttgart sind beeindruckend. In der Saison 2016/17 in der 2. Bundesliga hatte der Verein mit durchschnittlich 50.054 Zuschauern die elftbeste durchschnittliche Besucherzahl in Europa. Damit zog der VfB mehr zahlende Besucher in die Mercedes-Benz Arena als europäische Schwergewichte wie Manchester City (46.974), Celtic FC (46.917), Inter Mailand (46.611) und der FC Liverpool (44.749). Diese hohen Zahlen blieben auch in der Bundesliga bestehen. In der letzten Saison kamen durchschnittlich 50.423 Zuschauer pro Spiel, und in der aktuellen, sportlich schwierigen Saison stieg der Durchschnitt sogar auf 54.492 Zuschauer pro Heimspiel.
Die Ära Reschke und der Trainerwechsel
Die hohen Einnahmen und die große Fanbasis bedeuten, dass in Stuttgart Geld zur Verfügung steht. Der Verein hat in den letzten Jahren auch investiert. Im Sommer 2017 wurde Jan Schindelmeiser durch Michael Reschke ersetzt, der zuvor als Kaderplaner bei Bayer Leverkusen und Bayern München gearbeitet hatte. Reschke galt als Genie auf seinem Gebiet und wurde für seine Rolle bei wichtigen Transfers wie Bernd Leno, Stefan Kießling, Simon Rolfes, André Schürrle und Arturo Vidal gelobt.
Seine Amtszeit in Stuttgart brachte jedoch gemischte Ergebnisse. Reschkes größter Transfer in seiner ersten Saison war Santiago Ascacíbar, der argentinische Mittelfeldspieler, der eine hervorragende erste Saison spielte, in dieser Spielzeit jedoch unter seinen Möglichkeiten blieb. Ähnliches gilt für Mario Gomez, der ehemalige Nationalspieler kehrte im vergangenen Winter zum Verein zurück und trug maßgeblich zum siebten Platz bei, hatte aber in dieser Saison ebenfalls zu kämpfen.
Schließlich gab es auch auf der Trainerbank häufige Wechsel. Der talentierte Hannes Wolf wurde im Februar 2018 entlassen und durch Tayfun Korkut ersetzt. Unter Korkut erreichte der VfB zwar den siebten Platz, spielte aber selten begeisternden Fußball. Der Transfersommer darauf entwickelte sich zu einem Desaster. Spieler wie Pablo Maffeo, Nicólas González, Borna Sosa, Gonzalo Castro und Daniel Didavi konnten kaum positive Impulse setzen. Im Oktober 2018 wurde Korkut dann durch Markus Weinzierl ersetzt, der in seinen ersten 21 Spielen in Stuttgart einen Durchschnitt von nur 0,76 Punkten erreichte.
Gerüchten zufolge wollte Reschke im Frühjahr Weinzierl durch einen anderen Trainer ersetzen. Stattdessen entließ der Verein den Sportdirektor und stellte im Februar Thomas Hitzlsperger als neuen Sportvorstand ein. Hitzlsperger, ein ehemaliger Stuttgart- und Nationalspieler, betonte, dass er die Saison mit dem aktuellen Cheftrainer beenden wolle.
Mislintats Vision und die Zukunft des VfB
Die zukünftige Ausrichtung des VfB Stuttgart wird jedoch maßgeblich von den Plänen des neuen Sportdirektors Sven Mislintat abhängen. Mislintat wird für die Transfer- und Kaderzusammenstellung verantwortlich sein, und es wird erwartet, dass er den aktuellen Kader, der den Verein rund 60 Millionen Euro pro Saison kostet, ausdünnen wird. Spielerwechsel und die Gewinnung eines zweiten Investors sollen Mislintat dabei helfen, einen Verein umzustrukturieren, der sein Potenzial schon zu lange nicht ausgeschöpft hat.
Es ist keine leichte Aufgabe, wie die Amtszeit von Michael Reschke gezeigt hat – dessen Ankunft beim VfB Stuttgart, ähnlich wie jetzt Mislintats Verpflichtung, in der deutschen Presse als großer Coup gefeiert wurde. Doch Mislintat hat während seiner Zeit in Dortmund eindrucksvoll bewiesen, dass er das Fundament für den langfristigen Erfolg eines Vereins legen kann. Mit seiner Verpflichtung setzt der VfB Stuttgart ein klares Zeichen, dass man bereit ist, strukturelle Veränderungen vorzunehmen, um den Verein wieder an die Spitze zu führen und die Rolle als “schlafender Riese” endgültig abzulegen. Es bleibt spannend zu sehen, welche Wege Mislintat einschlagen wird, um den VfB wieder zu altem Glanz zu verhelfen.
