Seit dem Jahr 2022 kämpfen zahlreiche Kunden des Lebensversicherers Proxalto mit erheblichen Problemen bei der pünktlichen Auszahlung ihrer Verträge. Dies betrifft neben klassischen Lebens- und Rentenversicherungen auch Sterbeversicherungen, deren Auszahlung in einer ohnehin schwierigen Zeit für Hinterbliebene eine essenzielle Rolle spielt. Obwohl Proxalto von “einzelnen Kundengruppen” spricht, sahen Verbraucherschützer die Beschwerden bereits Anfang 2023 als “Spitze des Eisbergs”. Es ist gewiss: Die Klagen über Schwierigkeiten bei der Auszahlung von Leistungen halten an. Doch es gibt Wege, wie Betroffene ihre Ansprüche durchsetzen können – unter anderem durch eine Beschwerde beim Versicherungsombudsmann oder der Finanzaufsicht Bafin.
Proxalto: Die Weiterführung der Generali-Verträge im Run-off
Der Lebensversicherer Proxalto ist ein Teil der Viridium-Gruppe, einem spezialisierten Abwicklungsunternehmen. Im Jahr 2019 übernahm Viridium rund 3,8 Millionen Renten- und Lebensversicherungsverträge, darunter auch zahlreiche Sterbeversicherungen, von der Generali und führt diese nun bis zum jeweiligen Vertragsablauf fort. Solche Abwicklungsunternehmen werden im Fachjargon auch als “Run-off”-Plattformen bezeichnet, da sie keine Neukunden mehr aufnehmen, sondern sich ausschließlich auf die Verwaltung und Abwicklung bestehender Bestände konzentrieren. Die Ausgliederung von Verträgen an solche Gesellschaften kann für Kunden verschiedene Implikationen haben, die es zu verstehen gilt.
Verzögerungen bei der Proxalto Sterbeversicherung und anderen Verträgen: Erfahrungsberichte
Die Probleme bei Proxalto sind keine Einzelfälle. Unser Leser Leo Gieding erlebte dies am eigenen Leib: Im Oktober 2022 sollte die private Rente seiner Ehefrau Constanze Weiß beginnen. Doch die Auszahlung der Leistungen verzögerte sich um ganze zwei Monate. Erst nachdem das Paar einen Anwalt eingeschaltet hatte, wurde die Rente endlich überwiesen. Dieser Fall zeigt deutlich, dass eine aktive und gegebenenfalls rechtliche Intervention notwendig sein kann, um die vertraglich zugesicherten Zahlungen zu erhalten.
Kalender symbolisiert lange Wartezeit bei Auszahlungen
Auch andere Betroffene haben uns ihre Erfahrungen geschildert, darunter Doris von Borstel, Markus Schuhmann, Thomas Reintges, Dirk Jödemann und Birgit Starke. Sie alle beklagten fehlende Zahlungen und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten. Diese Berichte unterstreichen die Dringlichkeit, bei Auszahlungsproblemen unverzüglich zu handeln und sich nicht mit leeren Versprechungen abspeisen zu lassen.
Die IT-Modernisierung: Eine wiederholte Erklärung für das Chaos
Laut Proxalto waren die “IT-Modernisierung” und damit verbundene technische Umstellungen der Grund für die zahlreichen Verzögerungen. Im Januar 2023 versicherte das Run-off-Unternehmen, diese sei “jetzt praktisch abgeschlossen”. Brisant ist jedoch, dass der Versicherer bereits im August 2022 eine “erfolgreich abgeschlossene” Umstellung vermeldet hatte. Schon im Februar 2022, als Proxalto erstmals mit Auszahlungsproblemen konfrontiert wurde, hieß es, es handele sich um ein “vorübergehendes technisches Problem”, das “schnellstmöglich behoben” worden sei.
Die wiederholten Beteuerungen, gepaart mit anhaltenden Problemen, führten zu Frustration bei den Kunden. Proxalto-Kundin Friederike Buchholz riet aus eigener Erfahrung: „Ich habe mich zu lange vertrösten lassen. Telefonische Auskünfte bringen wohl nichts. Eher schneller und schriftlich auf Proxalto zugehen, Fristen setzen und den Versicherungsombudsmann schneller ins Spiel bringen.“ Ihr Fall bestätigt dies: Nachdem der Ombudsmann Proxalto angeschrieben hatte, erfolgte sehr schnell eine Reaktion und die Summe wurde überwiesen.
Ombudsmann und Bafin: Effektive Hebel bei Proxalto-Problemen
Die Erfahrungen vieler Kunden zeigen, dass eine Beschwerde beim Versicherungsombudsmann oder der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) tatsächlich Wirkung zeigt. Nadine Leyendecker berichtete: „Wir haben den Ombudsmann eingeschaltet. Nur deshalb ist unserer Meinung nach etwas passiert.“ Thomas Hierschbiel bestätigte: „In der Tat hat Proxalto in der Zwischenzeit gezahlt (…) Ich hatte sowohl den Ombudsmann für Versicherungen als auch die Bafin ins Boot geholt.“ Patrick Lengler und Bernd Schackier machten ähnliche Erfahrungen.
Manchmal genügt sogar die Androhung einer Beschwerde. Walli Jonas’ Lebensversicherung, die sie 2001 bei der Volksfürsorge abgeschlossen hatte und nun von Proxalto verwaltet wurde (ähnlich wie viele Proxalto Sterbeversicherungen), sollte am 1. Juni 2023 fällig werden. Als Proxalto am 5. Juni nur einen Teilbetrag auszahlte, drohte Jonas dem Versicherer per E-Mail mit einer Beschwerde bei der Bafin und dem Versicherungsombudsmann. Ihre E-Mail hatte Erfolg: Der ausstehende Betrag wurde umgehend überwiesen.
“Proxalto ruckelt sich zurecht”: Eine Besserung in Sicht?
Eine Unternehmenssprecherin von Proxalto versichert erneut, die IT-Modernisierung sei “mittlerweile abgeschlossen”. Diesmal scheinen die Bemühungen Früchte zu tragen: Die Verbraucherzentrale Hamburg beobachtet inzwischen weniger Kundenbeschwerden. „Die Probleme sind nicht mehr so massiv wie Anfang 2023“, sagt Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg und fügt hinzu: „Proxalto ruckelt sich zurecht.“
Die Bafin begleitet die Angelegenheit weiterhin eng, wie eine Sprecherin der Aufsichtsbehörde mitteilte. Dies unterstreicht die Bedeutung der externen Überwachung, um die Rechte der Versicherten, insbesondere bei sensiblen Produkten wie der Proxalto Sterbeversicherung, zu schützen.
Bafin verhindert Zurich-Viridium-Deal und sendet klares Signal
Die Bafin hat kürzlich den bereits 2022 vereinbarten Verkauf von 724.000 Lebensversicherungsverträgen des Versicherers Zurich an Viridium im Januar 2024 blockiert. Dieser Widerstand der Bafin ist ein klares Signal und resultiert offenbar aus Bedenken gegenüber Viridiums Mehrheitseigner, dem Londoner Investor Cinven. Dieser hatte zugelassen, dass sein italienisches Lebensversicherungsunternehmen Eurovita in eine Schieflage geraten ist. Zudem trugen die zahlreichen Kundenbeschwerden über die Viridium-Gesellschaft Proxalto bei der Bafin, dem Versicherungsombudsmann, den Verbraucherzentralen und der Stiftung Warentest maßgeblich zur Entscheidung bei. Obwohl sich die Bafin aufgrund ihrer Verschwiegenheitspflicht nicht direkt zu den Problemen bei Proxalto äußern darf, spricht die Verhinderung des Deals Bände.
Ehepaar Constanze Weiß und Leo Gieding nach erfolgreicher Auszahlung durch Anwalt
Im Januar 2023 veröffentlichte die Bafin auf ihrer Internetseite einen wegweisenden Text unter der Überschrift „Wenn Versicherer nicht rechtzeitig zahlen“. Darin heißt es unmissverständlich: „Bei ablaufenden oder gekündigten Lebens- oder Rentenversicherungen ist grundsätzlich keine umfangreiche Leistungsprüfung erforderlich. Der Versicherer muss die Zahlung zu dem vereinbarten Termin vornehmen.“ Dies gilt selbstverständlich auch für die rechtzeitige Auszahlung einer Proxalto Sterbeversicherung. [interne_links_hier]
Was Betroffene tun können: Ihr Recht auf pünktliche Auszahlung
Sollten Sie von verspäteten Auszahlungen betroffen sein, insbesondere bei Ihrer Proxalto Sterbeversicherung, sind folgende Schritte entscheidend:
- Beschwerde einlegen: Zögern Sie nicht, sich unverzüglich beim Versicherungsombudsmann und bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) zu beschweren. Diese Institutionen sind dazu da, Verbraucherrechte zu schützen und können wirksamen Druck auf den Versicherer ausüben.
- Verzugszinsen fordern: Landen Rente, Kapitalauszahlung oder die Leistung aus Ihrer Proxalto Sterbeversicherung verspätet auf Ihrem Konto, haben Sie Anspruch auf Verzugszinsen. Diese liegen 5 Prozentpunkte über dem jeweils gültigen Basiszinssatz. Informieren Sie sich über den aktuellen Basiszinssatz, um die Höhe der Zinsen korrekt zu berechnen und einzufordern.
Kostengewinne durch IT-Modernisierung: Ein Vorteil für Kunden?
Proxalto verspricht sich von der umstrittenen IT-Modernisierung langfristig Kostengewinne. Ein Teil dieser Gewinne soll den Kundinnen und Kunden zugutekommen, indem ihre Überschussbeteiligung steigt. Das Unternehmen betont in einer Pressemitteilung, die “Modernisierungskosten in Höhe von rund 250 Millionen … allein” zu tragen und die Kunden nicht daran zu beteiligen. Dies sei für die Branche unüblich, da in der deutschen Lebensversicherung Kunden normalerweise zur Hälfte an den Kosten beteiligt würden.
Die Bafin äußerte sich dazu, dass Aufwendungen für IT-Modernisierungen zunächst das Kostenergebnis mindern, an dem Versicherungsnehmer im Gewinnfall zu 50 Prozent beteiligt werden müssen. „Mittelfristig können die Modernisierungsmaßnahmen aber zu Kostenvorteilen führen“, so ein Sprecher. Eine Alternative sei, IT-Leistungen an interne oder externe Dienstleister auszulagern. In diesem Fall tragen die Versicherungsnehmer keine Modernisierungskosten, profitieren aber auch nicht vollständig von Effizienzsteigerungen, da der Versicherer Leistungen einkaufen muss und der Dienstleister eine Gewinnmarge berechnet. Ob Proxalto-Kunden spürbar und nachhaltig von diesen Kostenvorteilen profitieren, wird die Zukunft zeigen.
Verkauf von Versicherungsbeständen: Kunden wurden nicht gefragt
Ein weiterer kritischer Punkt ist, dass die Generali-Kunden vor dem Verkauf ihrer Versichertenbestände an die Abwicklungsfirma Proxalto nicht gefragt wurden, ob sie damit einverstanden sind. Der deutsche Gesetzgeber hält dies hierzulande nicht für notwendig. Allerdings musste die Bafin ihre Zustimmung geben, nachdem sie geprüft hatte, ob die “Belange der Versicherten gewahrt” bleiben.
Das Beispiel der Niederlande zeigt, dass es auch anders geht: Dort kündigte der Versicherer Monuta an, seinen Lebensversicherungsbestand in Deutschland an den Versicherer Dela zu verkaufen. Den Kunden wurde jedoch ein 30-tägiges Einspruchsrecht eingeräumt. Wenn mindestens ein Viertel der Versicherungsnehmer Einspruch erhebt, “findet die Übertragung nicht statt”, erläuterte Monuta. Diese transparente Praxis könnte ein Vorbild für den deutschen Markt sein, um die Kundenzufriedenheit und das Vertrauen in die Branche zu stärken.
Fazit: Durchsetzung der Rechte bei Problemen mit der Proxalto Sterbeversicherung
Die Fälle von Auszahlungsverzögerungen bei Proxalto, die auch Sterbeversicherungen betreffen, haben gezeigt, dass Kunden nicht tatenlos zusehen sollten. Die wiederholten Erklärungen bezüglich der IT-Modernisierung und die anhaltenden Probleme haben das Vertrauen vieler Versicherten erschüttert. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Kunden ihre Rechte kennen und proaktiv handeln.
Sollten Sie Schwierigkeiten mit der Auszahlung Ihrer Proxalto Sterbeversicherung oder anderer Verträge haben, nutzen Sie die Ihnen zur Verfügung stehenden Beschwerdewege. Eine Beschwerde beim Versicherungsombudsmann oder der Bafin kann den nötigen Druck erzeugen und zur schnellen Klärung führen. Fordern Sie zudem gegebenenfalls Verzugszinsen ein, um für die entstandenen Unannehmlichkeiten entschädigt zu werden. Informieren Sie sich stets über Ihre Rechte und lassen Sie sich nicht entmutigen. Ihre Erfahrungen und Ihr Handeln tragen dazu bei, die Transparenz und Verlässlichkeit im deutschen Versicherungsmarkt zu verbessern.
