Unsere Kleidung, ein alltäglicher Begleiter, birgt eine unsichtbare Gefahr: Mikroplastik. Insbesondere Fasern aus synthetischen Materialien wie Polyamid finden sich nach dem Waschen in unseren Gewässern und Meeren wieder. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Phänomen, wie gesundheitsschädlich ist Polyamid Mikroplastik wirklich und welche Alternativen gibt es? Auf “Schau Nach” beleuchten wir dieses drängende Thema und geben Ihnen wertvolle Tipps, wie Sie Ihren Beitrag zur Reduzierung von Mikroplastik leisten können.
Detailaufnahme von Mikroplastikpartikeln in einem Labor
Der Großteil des Mikroplastiks in unseren Ozeanen stammt aus Textilien. Fasern aus Fleecejacken, Sportbekleidung und synthetischen T-Shirts lösen sich beim Waschen und gelangen über das Abwasser direkt in die Umwelt.
Was sind Kunstfasern und warum sind sie so verbreitet?
Kunstfasern, wissenschaftlich korrekt als synthetische Chemiefasern bezeichnet, werden durch aufwendige chemische Prozesse hergestellt. Rohstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas bilden die Basis für Fasern wie Polyester, Polyamid (bekannt auch unter Markennamen wie Nylon oder Perlon) und Polyacryl. Daneben existieren halbsynthetische Chemiefasern wie Viskose, die zwar aus nachwachsenden Rohstoffen wie Holz gewonnen, aber dennoch stark chemisch verändert werden, um sie zu Garnen verarbeitbar zu machen. Im Gegensatz dazu stehen Naturfasern, die direkt aus pflanzlichen oder tierischen Quellen stammen und ohne umfangreiche chemische Umwandlung genutzt werden können.
Die Beliebtheit von Kunstfasern in der Bekleidungsindustrie ist unbestreitbar. Sie verleihen Kleidungsstücken Eigenschaften, die Verbraucher schätzen: Sportbekleidung trocknet blitzschnell, Outdoor-Jacken sind wasserabweisend, und T-Shirts bleiben weich, elastisch und knitterfrei. Auch in der Pflege sind sie unkompliziert und formbeständig. Angesichts des steigenden Kleidungsverbrauchs und der Dominanz der “Fast Fashion”-Industrie, die auf günstige und schnell verfügbare Textilien setzt, ist es nicht verwunderlich, dass über die Hälfte der weltweit produzierten Textilien inzwischen aus künstlich hergestellten Fasern besteht. In Deutschland liegt der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch bei beeindruckenden 25 Kilogramm neuer Textilien pro Jahr, ein Konsum, der mit natürlichen Fasern allein kaum zu decken wäre.
Polyamid Mikroplastik: Wie entsteht die Gefahr?
Die Hauptursache für die Freisetzung von Mikroplastik aus Polyamid und anderen Kunstfasern ist der Waschprozess. Bei jeder Wäsche, insbesondere bei der allerersten Wäsche eines neuen Kleidungsstücks, lösen sich lose Fasern, die noch aus dem Herstellungsprozess stammen. Eine einzige Fleecejacke kann dabei pro Waschgang tausende, manchmal sogar bis zu einer Million Fasern freisetzen, die über das Abwasser ihren Weg in die Umwelt finden.
Auch der alltägliche Gebrauch und mechanische Beanspruchung führen zu einem Abrieb an der Textiloberfläche. Das Schleudern in der Waschmaschine, chemische Einflüsse durch Waschmittel sowie hohe Temperaturen tragen dazu bei, die Fasern zu schädigen und freizusetzen. Während Naturfasern und einige halbsynthetische Fasern biologisch abbaubar sind, zersetzen sich synthetische Chemiefasern, darunter auch Polyamid, nur sehr langsam. Diese Persistenz führt dazu, dass Polyamid Mikroplastik mittlerweile selbst an entlegensten Orten wie der Arktis nachgewiesen werden konnte.
Synthetische Chemiefasern sind global gesehen die Hauptquelle für Mikroplastik in Meeren und Flüssen. Diese winzigen Fasern können sich zu Knäueln verbinden und bei Meerestieren zu schwerwiegenden Problemen wie Verstopfungen führen, die im schlimmsten Fall tödlich enden können. In Deutschland trägt laut Fraunhofer-Institut der Abrieb von Autoreifen sogar noch mehr Mikroplastik zur Umweltbelastung bei als Textilien.
Die Herausforderungen beim Recycling von Polyamid-Textilien
Theoretisch ist das Recycling von Kunstfasern wie Polyamid möglich, doch in der Praxis gestaltet es sich äußerst schwierig. Einer der größten Hürden sind Mischgewebe. Viele Kleidungsstücke bestehen aus einer Kombination verschiedener Fasern – zum Beispiel 30 Prozent Baumwolle, 65 Prozent Polyester und 5 Prozent Elasthan (ein Polyurethan-basiertes Material, also ebenfalls eine Kunstfaser). Die genaue Zusammensetzung ist oft nicht mehr erkennbar, insbesondere wenn Etiketten fehlen.
Zusätzlich erschweren Farben, Applikationen wie Pailletten oder Aufdrucke sowie Reißverschlüsse und Knöpfe den Aufbereitungsprozess erheblich. Selbst bei scheinbar sortenreinen Kleidungsstücken aus Naturfasern besteht das Nähgarn häufig aus einem anderen Material, oft Polyester oder Polyamid, was eine sortenreine Trennung weiter erschwert.
Durch das Schreddern für das Recycling verkürzen sich die Fasern erheblich, was dazu führt, dass recycelte Produkte oft eine minderere Qualität aufweisen. Ein Teil der Textilien kann zwar zu Putzlappen oder Dämmmaterial verarbeitet werden, doch der Großteil landet auf Verbrennungsanlagen oder Deponien. Ein besorgniserregender Anteil der Textilien aus Altkleidersammlungen wird zudem in ärmere Länder exportiert. Dort überschwemmen sie die lokalen Märkte, zerstören die heimische Produktion und tragen zur Entstehung riesiger Textilmüllberge bei, wie sie beispielsweise in der Atacama-Wüste in Chile zu sehen sind.
So erkennen Sie Kunstfasern in Ihrer Kleidung
In Europa ist die Kennzeichnung der verwendeten Faserarten gesetzlich vorgeschrieben. Die genaue Zusammensetzung eines Kleidungsstücks finden Sie auf dem Pflegeetikett. Die Reihenfolge der aufgeführten Materialien gibt Auskunft über deren Gewichtsanteil im Textil, wobei das an erster Stelle genannte Material den höchsten Anteil hat.
Hier sind die häufigsten Kunstfasern, auf die Sie achten sollten:
- Synthetische Chemiefasern: Polyester, Polyacryl, Polyamid (z.B. Perlon, Nylon), Polyurethan (z.B. Elasthan, Spandex), Polypropylen, Polyvinylchlorid (PVC).
- Halbsynthetische Chemiefasern: Viskose, Modal, Lyocell (z.B. Tencel), Cupro, Celluloseacetat.
Zum Vergleich die Naturfasern: Baumwolle, Wolle, Tierhaare (wie Kaschmir, Alpaka), Leinen, Hanf, Jute, Seide.
Ist Verzicht auf Kunstfasern die Lösung?
Ein vollständiger Verzicht auf Kunstfasern ist angesichts des aktuellen Bedarfs an Bekleidung und der Herausforderungen bei der Deckung durch rein natürliche Materialien kaum praktikabel. Zudem sind Naturfasern nicht automatisch die umweltfreundlichere Wahl. Der Anbau von Baumwolle beispielsweise verschlingt enorme Mengen an Wasser und erfordert oft den Einsatz bedenklicher Pflanzenschutzmittel. Auch die nachfolgenden Verarbeitungsschritte können umweltschädlich sein und belasten die Gesundheit der Arbeitskräfte.
Stattdessen rücken reduzierter Konsum, der Kauf zertifizierter und nachhaltiger Kleidung sowie die längere Nutzung vorhandener Kleidungsstücke in den Fokus.
Fleecejacken aus recycelten PET-Flaschen: Eine gute Wahl?
Die Wiederverwertung von PET-Flaschen zu Polyesterfasern ist eine etablierte Methode, Plastikabfall sinnvoll zu nutzen und dabei den Energieverbrauch sowie den CO2-Ausstoß bei der Produktion zu senken. Allerdings gibt es auch hier Schattenseiten. Oft müssen PET-Flaschen erst über weite Strecken transportiert werden. Zudem wird Altplastik teilweise chemisch recycelt, dessen tatsächliche Umweltfreundlichkeit im Vergleich zur Neuproduktion noch unklar ist.
Besonders Fleecejacken, die aufgrund ihrer rauen Oberfläche viele Mikroplastik-Fasern freisetzen, bleiben ein Problem. Eine einmal ausgediente Jacke kann nicht einfach wiederverwertet werden. Zwar ist der Kauf von recycelten Fleecejacken prinzipiell nicht schlecht, jedoch sollten sie seltener gewaschen und dabei mit geringer Schleuderzahl und niedriger Temperatur behandelt werden, um die Fasernabgabe zu minimieren.
Weitere wertvolle Informationen zum Thema Mikroplastik und nachhaltige Textilien:
- Was sind Mikroplastik und Flüssigplastik?
- Tipps: Mikroplastik aus Kleidung reduzieren
- Wasserabweisend, knitterfrei & Co. – das steckt hinter den Auslobungen in Textilien
- Faire Kleidung: Das bedeuten die Siegel
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