Ein Policendarlehen bietet eine flexible Möglichkeit, kurzfristige finanzielle Engpässe zu überbrücken, indem Sie Ihre Lebens- oder Rentenversicherung als Sicherheit hinterlegen. Doch obwohl es auf den ersten Blick verlockend erscheint, Ihre Altersvorsorge nicht verkaufen oder kündigen zu müssen, birgt diese Darlehensform auch erhebliche Nachteile. Insbesondere die Gesamtzinskosten und das Risiko des teilweisen Verlusts Ihrer Vorsorge sollten genau beleuchtet werden.
Was genau ist ein Policendarlehen?
Ein Policendarlehen ist eine spezielle Form des endfälligen Darlehens. Das bedeutet, dass Sie während der Laufzeit keine monatlichen Tilgungsraten zahlen, sondern lediglich die Zinsen. Die Rückzahlung des eigentlichen Darlehensbetrags erfolgt gesammelt am Ende der Laufzeit. Diese Struktur macht Policendarlehen attraktiv, wenn Sie:
- Einen temporären finanziellen Engpass überbrücken müssen.
- Sicher sind, dass Ihnen bis zum Ende der Laufzeit ausreichend Kapital zur Verfügung stehen wird (z.B. durch Erbschaft oder andere Versicherungsleistungen).
- Die monatlichen Raten eines herkömmlichen Ratenkredits nicht tragen können oder wollen.
Der entscheidende Unterschied zu anderen endfälligen Darlehen ist die Absicherung durch eine Lebens- oder Rentenversicherung. Sollten Sie am Ende der Laufzeit nicht in der Lage sein, das Darlehen zurückzuzahlen, hat der Kreditgeber das Recht, die Versicherung zu kündigen und den Rückkaufswert einzuziehen.
Eine Person, die ihr Lebensversicherungsdokument betrachtet und überlegt, ob sie es beleihen soll.
Die Kostenfalle: Die Nachteile der Zinsberechnung bei Policendarlehen
Ein wesentlicher Vorteil, der oft genannt wird, sind die vergleichsweise niedrigen Zinssätze von Policendarlehen, die typischerweise um die 3 Prozent liegen. Dies macht sie oft attraktiver als Dispositions- oder Rahmenkredite. Die geringe Risikobelastung für die Bank, da die Versicherung als Sicherheit dient, ermöglicht diese günstigen Konditionen.
Doch hier liegt auch eine der größten Tücken: Da keine monatliche Tilgung erfolgt, bleibt der Darlehensbetrag über die gesamte Laufzeit unverändert hoch. Die Zinsen werden stets auf diesen vollen Betrag berechnet. Vergleichen wir dies mit einem herkömmlichen Ratenkredit, bei dem die Restschuld mit jeder Tilgungsrate sinkt und somit auch die darauf anfallenden Zinsen kontinuierlich abnehmen.
Beispiel zur Verdeutlichung:
Angenommen, Sie benötigen 10.000 Euro.
- Ratenkredit: Bei einem Zinssatz von 3 Prozent über 24 Monate zahlen Sie eine monatliche Rate von ca. 429 Euro (Tilgung + Zinsen). Die Gesamtzinskosten belaufen sich hier auf etwa 315 Euro.
- Policendarlehen: Bei gleichem Zinssatz von 3 Prozent zahlen Sie als monatliche Rate lediglich die Zinsen, was bei 10.000 Euro etwa 25 Euro pro Monat ausmacht. Am Ende der Laufzeit summieren sich die Zinsen jedoch auf rund 600 Euro.
Sie zahlen also beim Policendarlehen fast doppelt so hohe Zinsen, obwohl der Zinssatz gleich ist. Diese höhere Gesamtzinslast ist ein bedeutender Nachteil, den viele Kreditnehmer unterschätzen.
| Ratenkredit | Policendarlehen | |
|---|---|---|
| Kreditsumme | 10.000 Euro | 10.000 Euro |
| Zinssatz | 3 Prozent | 3 Prozent |
| Monatliche Rate | 429 Euro | 25 Euro |
| Restschuld | 0 Euro | 10.000 Euro |
| Gezahlte Zinsen | 314 Euro | 600 Euro |
Die Attraktivität der niedrigen Monatsrate kann also über die erheblich höheren Gesamtkosten hinwegtäuschen.
Woher bekomme ich ein Policendarlehen und welche Voraussetzungen gelten?
Ein Policendarlehen können Sie entweder direkt bei Ihrer Lebensversicherungsgesellschaft oder bei spezialisierten Banken und Kreditvermittlern erhalten. Wichtig ist, dass Ihre Versicherung bestimmte Kriterien erfüllt:
- Es darf sich nicht um einen staatlich geförderten Vorsorgevertrag handeln (z.B. Riester- oder Rürup-Rente).
- Die Versicherung muss in Deutschland abgeschlossen worden sein.
- Bei Lebensversicherungen mit Garantie muss der Rückkaufswert mindestens 5.000 Euro betragen, bei fondsgebundenen Policen mindestens 10.000 Euro.
- Die gewünschte Kreditsumme muss in der Regel über 2.500 Euro liegen.
Obwohl es keine strengen gesetzlichen Vorschriften gibt und Ausnahmen möglich sind, sollten Sie diese Punkte im Hinterkopf behalten.
Der Ablauf ist meist unkompliziert: Nach Prüfung Ihrer Unterlagen und der Police erhalten Sie den vereinbarten Kreditbetrag. Die Bank oder Versicherung erhält im Gegenzug den Originalvertrag als Sicherheit.
Weitere wichtige Nachteile von Policendarlehen
Neben der höheren Zinsbelastung gibt es weitere kritische Punkte, die Sie bei einem Policendarlehen berücksichtigen müssen:
- Risiko des teilweisen Verlusts der Altersvorsorge: Dies ist wohl der gravierendste Nachteil. Können Sie das Darlehen am Ende der Laufzeit nicht zurückzahlen, wird die Versicherung vom Kreditgeber gekündigt und der Rückkaufswert zur Schuldentilgung verwendet. Dies bedeutet, dass Sie einen Teil Ihrer mühsam aufgebauten Altersvorsorge verlieren. Auch wenn Verlängerungen möglich sind, erhöhen sich dadurch die Zinszahlungen weiter.
Eine Illustration, die den Verlust von Altersvorsorge symbolisiert.
Mögliche Steuernachteile: Je nach Art der Versicherung und wie Sie die Darlehenskosten absetzen könnten, kann ein Policendarlehen steuerliche Nachteile mit sich bringen. Wenn Sie die Zinskosten steuerlich geltend machen können, besteht die Gefahr, dass die spätere Auszahlung der Versicherungssumme versteuert werden muss, was zu einer erheblichen Steuernachzahlung führen kann. Eine Beratung durch einen Steuerberater ist hier dringend anzuraten.
Verzicht auf weitere Sicherheiten: Oftmals entfällt bei Policendarlehen eine Bonitätsprüfung oder SCHUFA-Abfrage. Dies klingt zunächst positiv, kann aber auch bedeuten, dass die Konditionen nicht immer optimal sind und die Bank kein Interesse daran hat, die finanziell beste Lösung für Sie zu finden, sondern primär auf die Sicherheit der Police setzt.
Libere Rahmenbedingungen mit Tücken: Zwar sind Policendarlehen oft flexibel kündbar und erlauben Sondertilgungen ohne hohe Strafgebühren. Dies kann verlockend sein, um das Darlehen früher abzuzahlen. Doch wie das Beispiel zeigt, ist der Zeitaufwand für häufige Sondertilgungen immens und lohnt sich aufgrund der Struktur des endfälligen Darlehens oft nicht im Vergleich zu einem regulären Ratenkredit.
Für wen eignet sich ein Policendarlehen wirklich?
Ein Policendarlehen kann in sehr spezifischen Ausnahmesituationen sinnvoll sein. Dies gilt vor allem dann, wenn Sie:
- Eine kurzfristige Finanzierungslücke überbrücken müssen und absolut sicher sind, dass Ihnen bald das notwendige Kapital zur Verfügung steht, um das Darlehen am Ende der Laufzeit vollständig zurückzuzahlen.
- Eine kurze Laufzeit wählen, um die Gesamtzinslast und das Risiko zu minimieren.
Selbst in Fällen, in denen ein Policendarlehen wie eine Option für eine Immobilienfinanzierung erscheint, um Eigenkapital zu ergänzen, ist Vorsicht geboten. In den meisten Fällen sind reguläre Baukredite die transparentere und oft kostengünstigere Wahl.
Fazit: Policendarlehen – Eine Option mit Bedacht wählen
Die Möglichkeit, finanzielle Engpässe zu überbrücken, ohne die eigene Lebens- oder Rentenversicherung verkaufen zu müssen, macht das Policendarlehen auf den ersten Blick attraktiv. Doch die hohe Gesamtzinslast durch die ausbleibende Tilgung, das erhebliche Risiko des Verlusts der Altersvorsorge und potenzielle Steuernachteile sind wesentliche Nachteile, die nicht unterschätzt werden dürfen.
Nur wenn Sie die Rückzahlungsfähigkeit am Ende der Laufzeit mit absoluter Sicherheit garantieren können und eine kurze Laufzeit anstreben, könnte ein Policendarlehen eine Überlegung wert sein. In allen anderen Fällen ist es ratsamer, sich nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten umzusehen, die transparentere Kostenstrukturen und geringere Risiken bieten. Vergleichen Sie stets verschiedene Angebote und lassen Sie sich umfassend beraten, bevor Sie eine Entscheidung treffen.
