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Die Gesundheit von Schwangeren und ihren ungeborenen Kindern steht stets im Fokus medizinischer Forschung. Insbesondere während der globalen COVID-19-Pandemie rückten Fragen nach den Auswirkungen von SARS-CoV-2-Infektionen auf diese sensible Phase des Lebens in den Mittelpunkt. Eine wegweisende Studie der MedUni Wien, die im renommierten Fachjournal “The Lancet Regional Health – Europe” veröffentlicht wurde, beleuchtet nun detailliert, wie sich unterschiedliche Virusvarianten, darunter auch Omikron, auf Plazenta und Fötus auswirken können. Die Untersuchung mittels pränataler Magnetresonanztomographie (MRT) liefert wichtige Erkenntnisse, die über die reine Informationsbeschaffung hinausgehen und potenzielle präventive Maßnahmen in den Blick nehmen.
Auswirkungen von SARS-CoV-2-Varianten auf die Plazenta und den Fötus
Die Studie der MedUni Wien verfolgte einen innovativen Ansatz, indem sie sich auf die vorgeburtliche Diagnostik konzentrierte. Im Gegensatz zu früheren Untersuchungen, die Komplikationen oft erst nach der Geburt feststellten, nutzte das wissenschaftliche Team die pränatale MRT, um Plazenta und Fötus von 76 schwangeren Frauen zu scannen. Die Teilnehmerinnen wurden in zwei Gruppen unterteilt: 38 Frauen, die sich nachweislich mit SARS-CoV-2 infiziert hatten (sowohl Prä-Omikron- als auch Omikron-Varianten), und 38 gesunde Kontrollfälle.
Die Ergebnisse waren aufschlussreich: Sowohl in der Prä-Omikron- als auch in der Omikron-Gruppe zeigten die Plazenten Auffälligkeiten im Vergleich zur Kontrollgruppe. Ein wesentliches Ergebnis der Studie, wie Erstautor Patric Kienast von der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der MedUni Wien erläutert, ist, dass Infektionen mit Prä-Omikron-Varianten, wie beispielsweise der Delta-Variante, zu deutlich stärkeren Schäden führten. Diese äußerten sich in vaskulären Ereignissen wie Thromben oder Blutungen. Für Föten infizierter Schwangerer bedeutete dies in früheren Phasen der Pandemie ein höheres Risiko für Beeinträchtigungen wie Wachstumseinschränkungen oder vaskuläre Läsionen in Organen und Gehirn.
Pränatale MRT-Aufnahme einer Plazenta mit Auffälligkeiten
Weniger Plazenta-Anomalien bei Geimpften und Omikron-Varianten
Die Forscher:innen führen das geringere Ausmaß der Plazenta-Schädigungen bei Omikron-Varianten sowie bei geimpften Frauen auf zwei Hauptgründe zurück. Zum einen sind die Omikron-Subvarianten tendenziell mit milderen Krankheitsverläufen verbunden. Zum anderen war in der fortgeschrittenen Phase der Pandemie die Durchimpfungsrate deutlich höher. Studienleiter Gregor Kasprian von der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der MedUni Wien berichtet, dass in der nicht geimpften Gruppe zwei von zwei schwangeren Teilnehmerinnen nach einer Omikron-Infektion eine Plazenta-Anomalie entwickelten, während dies bei nur einer von sechs dreifach geimpften Frauen der Fall war. Diese Beobachtung unterstreicht die Schutzwirkung von Impfungen auch während der Schwangerschaft.
Die Plazenta, auch Mutterkuchen genannt, ist ein lebenswichtiges Organ, das den Austausch von Sauerstoff, Nährstoffen und Stoffwechselprodukten zwischen Mutter und Kind sicherstellt. Sie bildet eine effektive Barriere gegen das Corona-Virus, sodass nur ein sehr geringer Prozentsatz der Föten nach einer mütterlichen Infektion selbst infiziert wird. Die aktuelle Studie zeigt jedoch, dass die Plazenta selbst durch Covid-19 beeinträchtigt werden kann. Dies kann in der Folge zu Wachstumseinschränkungen beim Ungeborenen oder zu Blutungsereignissen im fetalen Gehirn führen.
Für schwangere Frauen, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet werden, raten die Studienautor:innen, allen voran Daniela Prayer von der Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin der MedUni Wien, dringend zu einer frühzeitigen Untersuchung der Plazenta mittels pränataler bildgebender Verfahren. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf mögliche zukünftige Virusvarianten, die ähnliche Mechanismen wie die Delta-Variante aufweisen könnten. Eine solche Früherkennung eröffnet die Möglichkeit, rechtzeitig Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit des Fötus zu ergreifen.
Präventive Maßnahmen und die Bedeutung von Früherkennung
Die Erkenntnisse aus dieser Studie sind von immenser Bedeutung für die medizinische Betreuung schwangerer Frauen während und nach der Pandemie. Die Tatsache, dass unterschiedliche Virusvarianten zu verschieden stark ausgeprägten Plazenta-Schäden führen können, erfordert eine differenzierte Betrachtung. Während die leichteren Verläufe bei Omikron-Varianten Anlass zur Hoffnung geben, die Risiken zu minimieren, dürfen die potenziellen Gefahren durch zukünftige, möglicherweise aggressivere Varianten nicht unterschätzt werden.
Die Empfehlung zur frühzeitigen Untersuchung der Plazenta bei Corona-positiven Schwangeren ist ein wichtiger Schritt in Richtung proaktiver Gesundheitsvorsorge. Dies ermöglicht es den behandelnden Ärztinnen und Ärzten, potenzielle Risiken frühzeitig zu erkennen und individuelle Behandlungspläne zu entwickeln. Die Studie demonstriert eindrucksvoll, wie fortschrittliche diagnostische Methoden wie die pränatale MRT dazu beitragen können, die Gesundheit von Mutter und Kind bestmöglich zu schützen. Die weitere Forschung in diesem Bereich, insbesondere die Untersuchung der langfristigen Auswirkungen von SARS-CoV-2-Infektionen während der Schwangerschaft, wird entscheidend sein, um werdenden Eltern und medizinischem Fachpersonal die bestmögliche Unterstützung zu bieten.
Publikation: The Lancet Regional Health – Europe
SARS-CoV-2 variant-related abnormalities detected by prenatal MRI: A prospective case-control study
Patric Kienast, MD; Daniela Prayer, MD; Julia Binder, MD, PhD; Florian Prayer, MD, PhD; Sabine Dekan, MD; Eva Langthaler, MD; Benjamin Sigl, MD; Sabine Eichinger, MD; Nicole Perkmann-Nagele, MD; Ingrid Stuempflen, BSc; Marlene Stuempflen, MD; Nawa Schirwani, MD; Petra Pateisky, MD; Christian Mitter, MD; Gregor Kasprian, MD
