Die Welt der Kinder war einst untrennbar mit der Natur verbunden. Heute jedoch, in einer Zeit dominiert von urbanen Lebensweisen und digitalen Medien, droht diese Verbindung zu verblassen. Immer mehr junge Menschen verlieren den Bezug zur natürlichen Umwelt, was dazu führt, dass grundlegende Kenntnisse über Tiere und Pflanzen schwinden. Hier setzt die natürliche Umweltpädagogik an, um bereits im Kindergartenalter ein tiefes Bewusstsein für unsere Erde zu schaffen. Es geht darum, Kindern die Wertschätzung für Natur und Umwelt zu vermitteln und ihnen einen spielerischen Zugang zu den Prinzipien der Nachhaltigkeit zu eröffnen.
Die Inhalte, die Kinder im Rahmen der Umweltbildung im Kindergarten erfahren, sind vielfältig und werden durch die Bildungspläne der Bundesländer sowie die spezifischen Schwerpunkte der Kindertagesstätten mitgestaltet. Auf bundesweiter Ebene besteht jedoch ein klares Ziel: Nachhaltigkeit soll ein integraler Bestandteil des Bildungssystems werden. Dies unterstreicht der Nationale Aktionsplan Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) von 2017, der darauf abzielt, die Gesellschaft langfristig in Richtung ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit zu lenken, so eine Sprecherin des Bundesbildungsministeriums. Die natürliche Umweltpädagogik spielt hierbei eine Schlüsselrolle.
Die Aufgaben der Umweltbildung: Wissen, Wertschätzung und Verantwortung
In städtischen Umgebungen wächst die Entfremdung vieler Kinder von der Natur. Sie verbringen mehr Zeit in geschlossenen Räumen als unter freiem Himmel und wissen oft nicht, wie sie sich draußen in Wald oder Feld sinnvoll beschäftigen können. Kenntnisse über heimische Tiere und Pflanzen sind seltener vorhanden als noch vor einigen Jahren.
Die Aufgabe der Umweltbildung im Kindergarten ist es, diese Lücke zu schließen. Nur wer die Natur kennt und schätzt, wird später in der Lage sein, verantwortungsbewusst mit ihr umzugehen. Da Nachhaltigkeit eine immer größere Bedeutung für unsere Zukunft hat, ist es essenziell, bereits bei jungen Kindern ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Dies gelingt nicht nur durch kreative Bastelprojekte, sondern auch durch gezielte Ausflüge in naturnahe Umgebungen wie:
- Wälder
- Heideflächen
- Moore und Sümpfe
Ausflug mit der Kita, im Wald mit Kindern, Natur mit Kindern genießenEs ist sinnvoll, Kinder schon im frühen Alter an den Umgang mit der Natur zu gewöhnen © Dmytro Zinkevych – Shutterstock
Gezielte Projekte in der Natur entfalten weit mehr positive Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder als nur ein gesteigertes Nachhaltigkeitsbewusstsein. Zahlreiche Bildungsbereiche werden durch Naturerlebnisse gefördert. Die natürliche Umweltpädagogik stärkt die Wahrnehmung der Sinne durch das Hören, Fühlen und Riechen im Freien. Kinder lernen, ihre Aufmerksamkeit zu lenken und konzentriert zu bleiben, beispielsweise beim Beobachten von Insekten. Die Förderung der grobmotorischen Fähigkeiten und des Körperbewusstseins gelingt beim Balancieren über Baumstämme. Zudem profitiert das Immunsystem der Kinder vom Aufenthalt an der frischen Luft.
Auch die Persönlichkeitsentwicklung erfährt durch Naturerlebnisse einen Schub. Beim Klettern und Springen schätzen Kinder ihre Fähigkeiten realistischer ein, bauen Ängste ab und gewinnen Selbstvertrauen. Die natürliche Umgebung ist ein unerschöpflicher Quell der Kreativität, im Gegensatz zu den oft begrenzten Möglichkeiten bei der Nutzung von Computern im Rahmen der Medienerziehung. Aus Stöcken entstehen Hütten und Höhlen, aus Ästen, Moos und Blättern lassen sich Vogelnester nachbauen. Das Spiel in der Natur stärkt vielfältige Entwicklungsaspekte.
Was bedeutet ökologische Bildung in der Kita?
Erzieherinnen und Erzieher stehen vor der Herausforderung, Kindern einen verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt zu vermitteln. Hierfür stehen vielfältige Möglichkeiten zur Gestaltung von Projekten und Organisation von Ausflügen offen. Die Integration der natürlichen Umweltpädagogik in den Kita-Alltag ist zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber außerordentlich sinnvoll. Ob die Umweltbildung spielerisch, durch Bastelprojekte oder andere kreative Methoden vermittelt wird, obliegt der pädagogischen Freiheit.
Ausflug ins Grüne: Natur hautnah erleben
Am effektivsten lernen Kinder Bewusstsein für Natur und Umwelt durch direkte Erfahrungen im Freien. Sie spüren, wie verschiedene Pflanzen duften und wie Tiere klingen. Ein Waldbesuch bietet hierbei ein immenses pädagogisches Potenzial. Die Gruppe kann beispielsweise Kriechtiere beobachten oder auf Entdeckungsreise nach verschiedenen Pflanzen gehen.
Wichtig ist die gemeinsame Besprechung der gesammelten Erfahrungen. So wird das Wissen der Kinder gefestigt und sie entwickeln ein tieferes Verständnis für ihre Umwelt. Getrocknete Blätter oder selbst gestaltete Kunstwerke tragen dazu bei, dass die Erinnerungen an die Naturerlebnisse lange lebendig bleiben.
Naturmaterialien: Wertvolle Werkzeuge für Pädagogen
Nicht immer sind Ausflüge in den Wald notwendig. Die ökologische Bildung in der Kita lässt sich auch im Gebäude des Kindergartens oder auf dem Außengelände fördern. Viele Kindertagesstätten setzen hier auf den Einsatz von Naturmaterialien. Blätter, Steine und Hölzer sind für die Pädagogik äußerst gewinnbringend und vielseitig einsetzbar.
Basteln mit Naturmaterialien: Kreativität und Nachhaltigkeit vereint
Ein Beispiel aus der Praxis: Wenn ein Waldspaziergang in der Stadt nicht umsetzbar ist, können Erzieherinnen und Erzieher einen Barfuß-Pfad im Außengelände anlegen. Mit verbundenen Augen können die Kinder über verschiedene Naturmaterialien wie Wiese, Sand oder Moos laufen und deren Haptik erspüren. Diese Erlebnisse bieten eine wunderbare Grundlage für Gespräche über die Umwelt und fördern gleichzeitig die sprachliche Bildung der Kinder. Diskutieren Sie mit der Gruppe, wo diese Materialien in der Natur zu finden sind.
„Wenn wir nicht bei den Kleinsten anfangen, dann können wir bei den Großen viel versuchen, aber nicht mehr so viel erreichen. Wir müssen von Anfang an die Bedeutung für nachhaltige Entwicklung verankern.“
Bildungsgewerkschaft GEW-Referentin Christina Block
Woher kommen Nahrung und Kleidung?
Neben der Erkundung von Landschaften gibt es weitere Einsatzmöglichkeiten der ökologischen Bildung in der Kita. Die Kinder lernen Flora und Fauna kennen und begreifen die Zusammenhänge zwischen den vier Elementen. Auch die Jahreszeiten lassen sich im Rahmen der natürlichen Umweltpädagogik thematisieren. Spätestens im Vorschulalter sollten Kinder ein grundlegendes Verständnis dafür entwickeln, woher Nahrung und Kleidung stammen. Der verantwortungsvolle Umgang mit Wasser ist ebenfalls ein wichtiges Thema, das sich mit allen Sinnen erforschen lässt.
Infografik Upcycling in der Kita: Aus alt mach neu
Natur und Umwelt Kita, Upcycling in der Kita, Umgang mit Müll im KindergartenInfografik Upcycling im Kindergarten © Prokita-Portal
Um das Verständnis der Kitagruppe für Nachhaltigkeit zu stärken, sind Projekte im Bereich Upcycling in der Kita besonders geeignet. Hierbei lernen die Kinder, dass ausrangierte Produkte ein neues Leben erhalten können – eine Lektion, die für ihr späteres Leben von großer Bedeutung ist. Dieser kreative Prozess bietet der Fantasie viel Raum und macht die Umwelterziehung gleichzeitig zu einem unterhaltsamen Erlebnis. Selbst Materialien, die auf den ersten Blick wie Abfall wirken, lassen sich hierfür nutzen.
Leere Toilettenpapierrollen werden im Handumdrehen zu Tieren, Weihnachtsmännern oder kleinen Figuren. Konservendosen lassen sich in Laternen verwandeln, ausrangierte Gummistiefel werden zu Blumentöpfen. Pappkartons und andere Verpackungsmaterialien können im Rahmen des Upcyclings neu gestaltet werden. Hierbei kann auch das Thema Verpackungsmüll thematisiert werden: Welche Produkte benötigen eine Verpackung und welche kommen gut ohne aus?
Ebenso können Erzieherinnen und Erzieher den Kindern zeigen, wie sich Naturmaterial in neue Dinge umwandeln lässt. Gesammelte Äste, Blüten und Moose können beispielsweise zu einem naturbelassenen Bilderrahmen verarbeitet werden. Beim Upcycling sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Die Ergebnisse sind nicht nur tolle Kunstwerke für den Gruppenraum, sondern auch eine Anerkennung der Leistung der Kinder.
Umgang mit Müll in der Kita
Ein wichtiger Bestandteil der Umwelterziehung ist es, Kindern ein Bewusstsein dafür zu vermitteln, was mit unserem Müll geschieht. Im Rahmen der natürlichen Umweltpädagogik ist es sinnvoll, ihnen zu erklären, was mit abgelaufenen Lebensmitteln passiert und wie wichtig die Mülltrennung ist. Ausflüge zu einem Wertstoffhof können hierbei aufschlussreich sein. Auch im Kita-Alltag lässt sich der richtige Umgang mit Müll vorleben. Die verschiedenen Farben der Mülltonnen erleichtern Kindern das Verständnis für die Mülltrennung. Wenn Erzieher mit ihrer Gruppe besprechen, welcher Müll in welche Tonne gehört, entwickeln die Kinder bereits in jungen Jahren ein Bewusstsein für dieses Thema.
Daraus lässt sich sogar ein Spiel gestalten: Drucken Sie Bilder verschiedener Abfallprodukte aus und stellen Sie Tonnen in den entsprechenden Farben bereit. Lassen Sie die Kinder gemeinsam herausfinden, welches Produkt in welcher Tonne am besten aufgehoben ist. Damit sich dieses Wissen im Alltag festigt, ist es wichtig, in der Kita konsequent auf Mülltrennung zu achten. Stellen Sie verschiedene farbige Behälter bereit und ermutigen Sie die Kinder, ihren Müll stets im passenden Behälter zu entsorgen. Die Vorbildrolle der Erzieherinnen und Erzieher ist hierbei entscheidend. Nur wenn sie selbst mit gutem Beispiel vorangehen und ihren Müll trennen, werden die Kinder diesem Verhalten nachahmen.
Natur in der Stadt: Herausforderungen und Chancen für Stadtkindergärten
Ländlich gelegene Einrichtungen haben bei der Umsetzung der Umweltbildung einen klaren Vorteil: die unmittelbare Nähe zur Natur. Ist ein Kindergarten jedoch mitten in der Stadt angesiedelt, stellt das Besuchen von Wald und Wiese eine größere Herausforderung dar. Hier gilt es, Parks und andere naturnahe Flächen zu identifizieren, die sich für pädagogische Zwecke eignen. Sind auch diese nicht leicht erreichbar, bleibt immer noch das Außengelände der Kita.
Häufig wird dieses nur als Spielplatz betrachtet und entsprechend gestaltet. Doch Erzieherinnen und Erzieher haben hier die Möglichkeit, einen Naturraum zu schaffen, den die Kinder jederzeit erkunden können. Legen Sie im Garten gemeinsam mit den Kindern Beete an. So lernen die Kinder, woher Nahrungsmittel stammen und was Pflanzen zum Wachsen benötigen. Es bietet sich an, einen Gartendienst einzurichten, dessen Aufgabe es ist, die Gewächse mit Wasser zu versorgen. Pflanzen Sie Blumen an, die Bienen anlocken, und erklären Sie den Kindern, wie wichtig bestimmte Insekten für das Ökosystem sind.
Kinder im Gemüsegarten, Umgang mit Natur durch Gartenarbeit beibringenKindern kann man mit einem eigenen Gemüsegarten verständlich machen, woher die Nahrungsmittel kommen und was dafür alles nötig ist © Juliya Shangarey – Shutterstock
Ebenso sinnvoll ist das Gestalten von Nist- und Futterplätzen, um ein Stück Natur in den Kindergarten zu holen. Auf diese Weise können verschiedene Tiere angelockt werden, die sich sonst nicht auf dem Außengelände aufhalten würden. Regen Sie die Kinder an, über ihre Tierbeobachtungen zu sprechen. Vor allem Vögel werden den Weg in den Außenbereich der Kita finden. Besprechen Sie mit den Kindern, woran sich unterschiedliche Vogelarten erkennen lassen und wie die bekanntesten Vögel heißen.
Förderung der Nachhaltigkeit: Initiativen und Programme
Baden-Württemberg setzt bei der Förderung der Umweltbildung im Kindergarten ein wichtiges Zeichen. Die Umweltakademie Baden-Württemberg hat mit dem Projekt „Nachhaltigkeit im Kindergarten“ die Grundlage für die Unterstützung der Pädagogik im Bereich Natur und Umwelt gelegt. In Kooperation mit dem Volkshochschulverband Baden-Württemberg e. V. wurde ein landesweites Netz an Mentoren geschaffen, die Einrichtungen bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitskonzepten unterstützen. Das Projekt umfasst Fortbildungsseminare und die Bereitstellung pädagogischer Materialien.
Auch der Verein Natur- und Umweltbildung e. V. engagiert sich bundesweit für die Umwelterziehung von Kindern. Mit dem sogenannten „Naturstrolche Abzeichen“ zeichnet er Kinder aus, die sich intensiv mit Natur und Umwelt auseinandersetzen. Interessierte Kitas zahlen einen Beitrag für jedes teilnehmende Kind und erhalten nach Abschluss des Projekts für jedes Kind ein Abzeichen und eine Urkunde.
Ziel des Projekts Naturstrolche ist es, der natürlichen Umweltpädagogik einen Rahmen zu geben und Erzieherinnen und Erziehern bei der Umsetzung im eigenen Kindergarten zu unterstützen. Pädagogische Fachkräfte erhalten so Zugang zu einer Sammlung an Naturerfahrungsspielen. Diese spielerische Herangehensweise und die Belohnung in Form von Abzeichen und Urkunde sorgen dafür, dass sich die Kinder noch lange an ihre ersten Erfahrungen im Bereich der Umweltbildung erinnern.
FAQs: Häufig gestellte Fragen zur natürlichen Umweltpädagogik in der Kita
Warum ist die Auseinandersetzung mit Natur und Umwelt in der Kita so wichtig?
Die Beschäftigung mit Natur und Umwelt fördert das Bewusstsein der Kinder für die Bedeutung des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit. Sie lernen, die Natur zu schätzen, entwickeln Verantwortungsbewusstsein und erwerben Wissen über ökologische Zusammenhänge. Die natürliche Umweltpädagogik legt hierfür den Grundstein.
Welche Rolle spielen die Bildungspläne der Bundesländer in der Natur- und Umweltbildung der Kitas?
Die Bildungspläne der Bundesländer definieren die Inhalte und Ziele der frühkindlichen Bildung, einschließlich Aspekten der Natur- und Umweltbildung. Sie bilden den Rahmen für die natürliche Umweltpädagogik.
Gibt es spezielle Programme oder Initiativen zur Förderung der Natur- und Umweltbildung in Kitas?
Ja, es gibt Programme wie den Aktionsplan Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), der Kitas unterstützt, Natur- und Umweltthemen systematisch zu integrieren und Bildungsangebote zu erweitern. Die natürliche Umweltpädagogik ist ein zentraler Bestandteil solcher Initiativen.
Wie können Kitas nachhaltige Verhaltensweisen bei Kindern fördern?
Durch Vorbildfunktion, spielerische Aktionen und regelmäßige Reflexionen können Kitas nachhaltige Verhaltensweisen wie Energiesparen, Müllvermeidung und einen respektvollen Umgang mit Ressourcen vermitteln. Die natürliche Umweltpädagogik bietet hierfür zahlreiche Anknüpfungspunkte.
