Der Midijob, oft als Übergangsbereich zwischen Minijob und regulärer Beschäftigung bezeichnet, wurde eingeführt, um Geringverdiener zu entlasten und ihre Rentenansprüche zu stärken. Auf den ersten Blick scheint die jüngste Reform vielversprechend, denn wer zwischen 520,01 und 2.000 Euro brutto verdient, dem verspricht der Staat zusätzliche Rentenpunkte. Doch eine genaue Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) offenbart eine ernüchternde Realität: Die Regelung verursacht hohe Kosten, bringt aber im Ruhestand kaum spürbare Entlastung für die Betroffenen. Insbesondere die Frage, ob der Midijob ein effektives Instrument gegen Altersarmut darstellt, muss kritisch hinterfragt werden, da die Rentenansprüche lediglich um durchschnittlich 60 Cent pro Erwerbsjahr steigen.
Was ist der Midijob und wie funktioniert die Rentenanrechnung?
Der sogenannte Midijob, auch “Gleitzone” oder “Übergangsbereich” genannt, ist ein Beschäftigungsverhältnis, das sich nahtlos an den Minijob anschließt. Er ist für Arbeitnehmer gedacht, deren monatliches Bruttoeinkommen die Geringfügigkeitsgrenze von 520 Euro überschreitet, aber eine bestimmte Obergrenze nicht erreicht. Seit dem 1. Januar 2023 hat die Bundesregierung diese obere Einkommensgrenze von zuvor 1.600 Euro auf 2.000 Euro brutto pro Monat angehoben. Diese Erweiterung hat dazu geführt, dass mittlerweile rund sechs Millionen Bundesbürger als Midijobber gelten, was knapp einem Fünftel aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland entspricht. Die Besonderheit des Midijobs liegt darin, dass Arbeitnehmer zwar reduzierte Sozialversicherungsbeiträge zahlen, aber dennoch volle Rentenansprüche erwerben.
Konkret bedeutet dies, dass Midijobber nicht den vollen Arbeitnehmeranteil zu den Sozialversicherungen – dazu gehören die Gesetzliche Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung – entrichten müssen. Der Beitragssatz steigt dabei gleitend vom unteren bis zum oberen Ende der Gleitzone an, wodurch die Belastung für Geringverdiener geringer ausfällt. Um sicherzustellen, dass diese reduzierte Beitragszahlung nicht zu einer erheblichen Minderung der späteren Renten führt und somit Altersarmut Vorschub leistet, erhalten Midijobber Rentenpunkte gutgeschrieben, als hätten sie die regulären Rentenbeiträge in voller Höhe eingezahlt. Die Höhe dieser staatlichen Entlastung ist dabei gestaffelt: Bei einem Einkommen nahe der unteren Grenze von 520 Euro ist die Entlastung am größten und nimmt mit steigendem Einkommen bis zur oberen Grenze von 2.000 Euro sukzessive ab.
Die Kosten-Nutzen-Rechnung: Hohe Ausgaben für geringen Rentenzuwachs
Die jüngsten Anpassungen der Midijob-Regelung wurden mit dem Ziel eingeführt, Geringverdiener stärker zu unterstützen und ihre Altersvorsorge zu verbessern. Doch die detaillierte Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) wirft kritische Fragen zur Effektivität dieser Maßnahme auf. Die Studie macht deutlich, dass die Umverteilung, die durch die Midijob-Regelung entsteht, den deutschen Steuerzahler jährlich rund zwei Milliarden Euro kostet. Die Hälfte dieser Summe, also etwa eine Milliarde Euro pro Jahr, geht dabei zulasten der Rentenkasse, da die Einnahmen aus den reduzierten Beiträgen der Midijobber entsprechend geringer ausfallen.
Doch wie profitieren die Betroffenen selbst von diesen erheblichen Mehrausgaben? Um dies zu verdeutlichen, betrachten wir zunächst ein Idealbeispiel: Eine Person, die über 45 Jahre lang konstant 521 Euro brutto im Monat verdient – also gerade an der Schwelle zum Midijob – würde durch die Regelung die höchste Entlastung erfahren. Ihr würden aufgrund des niedrigen Verdienstes jährlich 0,045 zusätzliche Rentenpunkte „geschenkt“. Über das gesamte Berufsleben gerechnet summiert sich dies auf zusätzliche zwei Entgeltpunkte. Bei dem aktuellen Rentenniveau würde dies eine erhöhte Rentenzahlung von etwa 72 Euro brutto pro Monat im Ruhestand bedeuten.
Ein Bäcker bei der Arbeit, symbolisch für Erwerbstätige mit Midijob-Einkommen
In der Praxis fällt die tatsächliche Entlastung jedoch wesentlich geringer aus. Das DIW weist darauf hin, dass ein Bruttoverdienst von exakt 521 Euro äußerst unwahrscheinlich ist, da Arbeitnehmer mit einem Euro weniger Gehalt in der für sie deutlich günstigeren Minijob-Regelung wären. Im Durchschnitt aller Midijobber beträgt die jährliche Gutschrift an zusätzlichen Entgeltpunkten lediglich 0,018. Dies führt, unter der Annahme einer 45-jährigen Beschäftigung im Midijob, zu einer Rentenanhebung von nur etwa 29 Euro im Monat. Das Kernproblem wird noch deutlicher, wenn man es auf das einzelne Erwerbsjahr herunterbricht: Ein Jahr Erwerbstätigkeit in einem Midijob erhöht die spätere Rentenzahlung im Durchschnitt um lediglich 60 Cent pro Monat – und diese geringfügige Erhöhung muss später auch noch versteuert werden. Diese Zahlen lassen Zweifel an der realen Wirksamkeit der Regelung aufkommen.
Midijob-Regelung: Kein wirksames Instrument gegen Altersarmut
Angesichts der geringen Rentensteigerungen und der hohen Kosten für die Staatskasse kommen die Studienautoren des DIW zu einem klaren Schluss: Von einem sinnvollen und wirksamen Mittel gegen Altersarmut kann bei der Midijob-Regelung nicht die Rede sein. Trotz der Milliardeninvestitionen erhöhen sich die späteren Alterseinkünfte der Midijobber kaum signifikant. Die Regelung scheint eher ein teurer Kompromiss zu sein, der sein eigentliches Ziel – eine substanzielle Verbesserung der Altersvorsorge für Geringverdiener – weit verfehlt.
Ein wesentlich effektiveres Instrument zur Bekämpfung drohender Altersarmut bei Geringverdienern sieht das DIW in einer Erhöhung und gezielteren Ausgestaltung der Grundrente. Die Grundrente, die seit 2021 in Kraft ist, richtet sich an Versicherte, die mindestens 33 Jahre gearbeitet haben und deren Einkommen im gesamten Erwerbsleben unter 80 Prozent des Durchschnittseinkommens lag. Sie erhalten einen Zuschlag zu ihrer Rente, der im Schnitt die monatliche Rentenzahlung um 86 Euro erhöht. Dieser Zuschlag ist somit deutlich spürbarer als die wenigen Cent, die der Midijob pro Erwerbsjahr generiert.
Die Studienautoren schlagen vor, die finanzielle Mittel, die derzeit in die Midijob-Regelung fließen – insbesondere die eine Milliarde Euro Einnahmeausfälle für die Rentenkasse – stattdessen in die Grundrente zu investieren. Eine solche Umschichtung der Gelder könnte entweder zu höheren Auszahlungen für die bestehenden Grundrentenbezieher führen oder den Kreis der Berechtigten erweitern, um noch mehr Geringverdienern im Alter eine bessere finanzielle Absicherung zu ermöglichen. Die Tatsache, dass der Einnahmeausfall von einer Milliarde Euro durch die Midijob-Regelung bereits rund zwei Drittel der Gesamtkosten für den Grundrentenzuschlag entspricht, unterstreicht das enorme Potenzial einer solchen Neuausrichtung. Es scheint, dass gezieltere Maßnahmen wie die Stärkung der Grundrente einen nachhaltigeren und effektiveren Beitrag zur Bekämpfung von Altersarmut leisten können als die aktuelle Ausgestaltung der Midijobs.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Midijob-Regelung, obwohl gut gemeint, in ihrer aktuellen Form keine wirkungsvolle Antwort auf die Herausforderung der Altersarmut darstellt. Stattdessen sollten politische Anstrengungen und finanzielle Ressourcen auf effektivere Instrumente wie die Grundrente konzentriert werden, um Geringverdienern im Ruhestand tatsächlich eine spürbare und nachhaltige finanzielle Absicherung zu ermöglichen. Informieren Sie sich über Ihre individuellen Rentenansprüche und prüfen Sie, welche weiteren Maßnahmen zur Altersvorsorge für Sie persönlich sinnvoll sind.
