Der rätselhafte Tod von Lutz Eigendorf: Eine Stasi-Verschwörung?

Porträtfoto von Lutz Eigendorf, einem talentierten Fußballer der DDR und späteren Bundesligaspieler.

Deutschland, ein Land reich an Geschichte und Geschichten, birgt auch dunkle Kapitel, die bis heute Fragen aufwerfen. Eine dieser Geschichten ist der tragische Tod des ehemaligen Fußballers Lutz Eigendorf, dessen Schicksal eng mit den Machenschaften des DDR-Geheimdienstes, der Stasi, verknüpft zu sein scheint. Sein rätselhafter Unfalltod im Jahr 1983 in Braunschweig gibt bis heute Anlass zu Spekulationen und deutet auf eine politische Ermordung hin, die weit über einen einfachen Verkehrsunfall hinausgeht und tief in die deutsch-deutsche Vergangenheit blicken lässt.

Der tragische Unfall von 1983 in Braunschweig

Am 5. März 1983 wurde Lutz Eigendorf gegen 22 Uhr zuletzt in der Bar „Cockpit“ in Braunschweig gesehen, wo er mit seinem Fluglehrer Manfred Müller ein Getränk zu sich nahm. Sein Verein, Eintracht Braunschweig, hatte an diesem Tag 0:2 gegen den VfL Bochum verloren, und Eigendorf musste die Niederlage von der Bank aus miterleben. Gegen 23 Uhr prallte Eigendorf auf dem Heimweg mit seinem Sportwagen gegen einen Baum. Er war mit hoher Geschwindigkeit unterwegs, und sein Blutalkoholwert lag bei 0,22 Promille – deutlich über der erlaubten Grenze. Eigendorf erlag seinen Verletzungen zwei Tage später im Krankenhaus.

Die Ereignisse vom 5. März 1983 in Braunschweig sind bis heute Gegenstand heftiger Debatten. Es bleibt ein Mysterium, wie Eigendorfs Blutalkoholwert so hoch gewesen sein konnte. Mehrere Zeugen sagten aus, ihn beim Verlassen der Bar kurz vor dem Unfall bei ein oder höchstens zwei kleinen Bieren gesehen zu haben und er sei völlig nüchtern gewesen, wie der Historiker Andreas Holy in einem Interview erklärte. Zudem stellte der Journalist Heribert Schwan fest, dass weder eine umfassende Autopsie noch eine intensive Untersuchung des Unfallfahrzeugs stattgefunden hatte. Andreas Holy kam zu dem Schluss, dass der mysteriöse Unfall in Wirklichkeit ein Mord war.

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Porträtfoto von Lutz Eigendorf, einem talentierten Fußballer der DDR und späteren Bundesligaspieler.Porträtfoto von Lutz Eigendorf, einem talentierten Fußballer der DDR und späteren Bundesligaspieler.

Die Provokation der Stasi: Eigendorfs Flucht und das neue Leben im Westen

Lutz Eigendorf wurde 1956 in Brandenburg geboren und zeigte früh Talent als vielversprechender Fußballer. Schon im Alter von 22 Jahren spielte er für die Nationalmannschaft der DDR. Als sein Team BFC Dynamo 1979 in Kaiserslautern in Westdeutschland gastierte, setzte er sich ab und blieb im Westen. Dort setzte er seine sportliche Karriere fort und absolvierte 61 Spiele in der Bundesliga, zunächst für den 1. FC Kaiserslautern, später für Eintracht Braunschweig.

Eigendorf genoss es, sein neues Leben im kapitalistischen Westdeutschland zur Schau zu stellen. Er fuhr mit seinem Sportwagen direkt bis zur Berliner Mauer, um vor Stacheldrahtkulisse kritische Interviews zu geben. „Einer der Gründe für mich, die DDR zu verlassen, war die Möglichkeit, in der Bundesliga zu spielen, die der ostdeutschen ‚Oberliga‘ in ihrer Klasse weit überlegen ist“, sagte er Tage vor seinem Tod gegenüber Reportern. Seine Witwe, Josi Eigendorf, berichtete, dass Eigendorf sich der Risiken seiner Äußerungen bewusst gewesen sei: „Er dachte immer, sie könnten ihn entführen und zurückbringen“, sagte sie. Nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 stellte sich heraus, dass die Stasi, der berüchtigte Geheimdienst der DDR, bereits ein Attentat in Betracht gezogen hatte: Seine persönliche Akte enthielt eine Notiz mit der Aufschrift: „Gift, Gas, Narkotika. Eigendorf.“

Warnungen und die „Verblitzen“-Methode des DDR-Geheimdienstes

„Das war kein Unfall“, sagte Jörg Berger, ein Bundesliga-Trainer, der 2000 gegenüber der DW sprach. Auch Berger war 1979 aus der DDR geflohen und erinnerte sich, Eigendorf zur Vorsicht gemahnt zu haben. „Ich merkte, dass ich von der Stasi beobachtet wurde. Ich wurde unter Druck gesetzt und hatte Momente, in denen ich um mein Leben fürchtete“, sagte er und gab zu, dass ihn dies davon abgehalten hatte, sich öffentlich kritisch über die DDR zu äußern. „Aber Lutz wollte Klartext reden und es ihnen vielleicht sogar heimzahlen. Ich warnte ihn, dass sie ein solches Verhalten nicht einfach hinnehmen würden“, erinnerte sich Berger.

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Im Jahr 2000 produzierte der Journalist Heribert Schwan für den deutschen Fernsehsender ARD eine Dokumentation mit dem Titel „Tod dem Verräter“. Im Zuge seiner Recherchen fand er in Eigendorfs Stasi-Akte eine Notiz mit der Aufschrift „Verblitzen, Eigendorf.“ „Blitz“ ist das deutsche Wort für „Blitz“, und der Begriff „verblitzen“ wurde von der Stasi geschaffen, um das Blenden eines Fahrers im Dunkeln durch ein sehr helles Licht zu bezeichnen, was oft dazu führte, dass dieser die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor. Dies würde erklären, warum der Fußballer gegen den Baum prallte, und deutet eher auf ein politisches Attentat als auf einen Unfall hin.

Ungereimtheiten in der Ermittlung und verlorene Akten

„Der Grund ist, dass sich die Staatsanwaltschaft nie wirklich darum gekümmert hat, obwohl ich auf Unstimmigkeiten in den Beweismitteln hingewiesen habe. Leider war es die Justiz, die hier alles durcheinandergebracht hat“, beklagte Heribert Schwan. Und Braunschweigs ehemaliger Staatsanwalt Hans-Jürgen Grasemann räumte ein, dass dies der Fall gewesen sein könnte. „Wir hatten immer den Verdacht, dass die Stasi hier doch ihre Hände im Spiel gehabt haben könnte“, sagte er. Im Jahr 2011 wollte die Berliner Staatsanwaltschaft den Fall neu aufrollen – doch zu diesem Zeitpunkt waren viele relevante Stasi-Akten verschwunden.

Der Fall Lutz Eigendorf ist mehr als nur die Geschichte eines Sportlers; er ist ein dunkles Kapitel der deutsch-deutschen Geschichte, das die Reichweite und die Skrupellosigkeit der Stasi offenbart. Trotz aller Indizien und Verdachtsmomente bleibt die endgültige Wahrheit über seinen Tod bis heute im Dunkeln, auch aufgrund verlorener Akten und unzureichender Ermittlungen. Möge diese Geschichte uns daran erinnern, die komplexen und oft schmerzhaften Facetten der deutschen Vergangenheit zu erforschen und zu verstehen.

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