Die Entscheidung, Heimtiere aufzunehmen, ist eine Herzensangelegenheit, doch die Wahl der richtigen Tierart und deren artgerechte Haltung sind entscheidend für das Wohlbefinden der Tiere. Oftmals entsteht in Zoohandlungen der Eindruck, Kaninchen und Meerschweinchen seien ideale Partner für eine gemeinsame Unterbringung. Diese Annahme, basierend auf mangelndem Wissen, führt jedoch dazu, dass beide Arten “gemeinsam einsam” sind. Sie stammen von unterschiedlichen Kontinenten, kommunizieren auf verschiedene Weise und können sich im schlimmsten Fall sogar gegenseitig verletzen. Auch wenn eine süße Harmonie zwischen ihnen zu bestehen scheint und sie sich eng aneinanderkuscheln, ist dies kein Indikator für echtes Verständnis oder eine artgerechte Gemeinschaft. Ähnlich wie ein Mensch trotz einer tiefen Zuneigung zu seinem Hund nicht auf menschliche Gesellschaft verzichten kann, um seine Probleme und Nöte zu teilen, benötigen auch Kaninchen und Meerschweinchen Artgenossen, um ihre sozialen Bedürfnisse zu erfüllen.
Die wissenschaftliche Perspektive: Professor Sachsners Untersuchungen
Um die komplexen sozialen Bedürfnisse von Meerschweinchen aufzuklären, führte Professor Sachser eine wegweisende Studie durch. Die Untersuchung sollte klären, ob Meerschweinchen bei freier Wahl eine Gesellschaft von Kaninchen, die Einsamkeit oder die Gesellschaft von Artgenossen bevorzugen.
Der Versuchsaufbau war ausgeklügelt: Zwei miteinander verbundene Käfige standen zur Verfügung. In einem Szenario befand sich in jedem Käfig ein Meerschweinchen, in einem anderen war ein Kaninchen im einen und ein Meerschweinchen im anderen Käfig untergebracht. Das Meerschweinchen hatte die Möglichkeit, durch eine Röhre entweder zum Kaninchen zu wechseln oder in seinem gewohnten Umfeld zu bleiben.
Die Ergebnisse waren eindeutig: Ein Meerschweinchen, das die Wahl zwischen Einsamkeit und Gesellschaft durch einen Artgenossen hatte, verbrachte die überwiegende Zeit mit dem anderen Meerschweinchen. Im Gegensatz dazu zog sich das Meerschweinchen, das zwischen der Gesellschaft eines Kaninchens und der Einsamkeit wählen konnte, deutlich häufiger zurück und bevorzugte die Alleinheit. Diese Erkenntnisse unterstreichen eindrücklich die Notwendigkeit, niemals nur ein einzelnes Tier zu halten. Vielmehr sollten mindestens zwei Meerschweinchen und zwei Kaninchen zusammen gehalten werden, da ein Artgenosse durch nichts ersetzt werden kann und ein “fremdes” Tier die sozialen Bedürfnisse nicht adäquat erfüllt.
Meerschweinchen und Kaninchen bewegen sich auf großer Fläche getrennt voneinander.
Auf ausreichend großer Fläche bewegen sich Meerschweinchen und Kaninchen zwar oft getrennt voneinander, aber in der Nähe ihrer jeweiligen Artgenossen.
Voraussetzungen für ein harmonisches Zusammenleben
Grundsätzlich ist eine gemeinsame Haltung von Meerschweinchen und Kaninchen unter bestimmten Bedingungen möglich. Oftmals leben sie friedlich nebeneinander her, ohne direkten Kontakt, nutzen den jeweils anderen aber auch als wärmende Liegefläche, besonders in kälteren Monaten, oder zeigen andere Formen der Interaktion wie gegenseitiges Beschnuppern oder Putzen. Bei genauer Beobachtung wird deutlich, dass sie sich bei viel Platz – idealerweise ab 10m² Gehege-Grundfläche – in ihren artgleichen Gruppen bewegen. Dies ermöglicht es den Tieren, sich aus dem Weg zu gehen und Störungen zu vermeiden.
Ein fundamentaler Aspekt für das Wohlbefinden beider Arten ist die Haltung von mindestens zwei Tieren derselben Art. Ein einzelnes Meerschweinchen oder Kaninchen leidet unter Einsamkeit, da es keinen Artgenossen hat, der sein Sozialverhalten versteht und entsprechend darauf reagiert. Informationen zur artgerechten Haltung von Meerschweinchen finden Sie auch unter niemals alleine halten.
Zudem ist es unerlässlich, dass die Bedürfnisse beider Arten berücksichtigt werden. Kaninchen benötigen erhöhte Rückzugsorte, die für Meerschweinchen nicht zugänglich sind, während Meerschweinchen sich in größeren Häuschen mit kleinen Eingängen verstecken können müssen, um ungestört von den Kaninchen zu sein. Eine Fülle an Versteckmöglichkeiten für die Meerschweinchen ist ebenfalls wichtig. Das Gehege muss so gestaltet sein, dass es den Lebensräumen beider Arten gerecht wird.
Meerschweinchen nutzen Kaninchen im Winter gerne als Wärmflasche.
Meerschweinchen schätzen im Winter die Nähe zu Kaninchen als Wärmequelle.
Sollten Kaninchen eine aggressive Haltung gegenüber Meerschweinchen zeigen, sehr aktiv sein und die kleineren Tiere bedrängen, oder ihr Revier verteidigen, ist eine getrennte Haltung zwingend erforderlich, um die Sicherheit der Meerschweinchen zu gewährleisten.
„Fast alle kleineren Heimtiere leben von Natur aus in Familiengruppen. Für die Wohnungs- oder Freilandhaltung ist deshalb eine Kleinfamilie, bestehend aus mindestens zwei Tieren derselben Art, unabdinglich. Wegen der unterschiedlichen Körper- und Lautsprache verstehen sich Meerschweine aber nicht mit Kaninchen. Sie sollten also jeweils mindestens zu zweit in getrennten Käfigen leben, wenn beide Arten gehalten werden sollen. Ideal ist die Vergesellschaftung eines kastrierten Männchens mit einem oder mehreren weiblichen Tieren. Gleichgeschlechtliche Paare verstehen sich nicht immer. Gehege für kleine Heimtiere sollten stets genügend einzelne Unterschlupfmöglichkeiten für alle Bewohner haben und so breit und hoch sein, dass sie darin hoppeln und aufrecht stehen können.“ – Bundesverband Practizierender Tierärzte e.V. (bpt)
Ein Beispiel für ein artgerechtes Gehege wäre eine große Voliere, die erhöhte Ebenen für die Kaninchen und Versteckmöglichkeiten mit kleinen Eingängen für die Meerschweinchen bietet. Dies schafft ausreichend Raum und getrennte Zonen, sodass sich beide Arten wohlfühlen können. Die artgerechte Haltung ist das A und O für glückliche und gesunde Tiere.
