Flüssiggas umweltschädlich: Wie LNG Deutschlands Klimabilanz tatsächlich belastet

Flüssiggas-Tanker an einem LNG-Terminal in Russland.

Flüssiggas-Tanker an einem LNG-Terminal in Russland.Flüssiggas-Tanker an einem LNG-Terminal in Russland.

Der Klimawandel stellt uns vor enorme Herausforderungen, und die Debatte um Energiequellen ist zentraler denn je. Erdgas wird oft als Brückentechnologie auf dem Weg zu einer vollständig grünen Energieversorgung propagiert. Doch ein wesentliches Argument gegen Erdgas, und insbesondere gegen Flüssiggas (LNG), ist seine überraschend hohe Klimaschädlichkeit, die der von Kohle nahekommt. Es geht nicht nur um das CO2, das bei der Verbrennung freigesetzt wird, sondern auch um die erheblichen Methanemissionen, die bereits bei der Förderung und dem Transport des Gases entweichen. Methan, der Hauptbestandteil von Erdgas, ist in den ersten 20 Jahren nach seiner Freisetzung über 80-mal klimawirksamer als CO2. Diese versteckten Emissionen machen Flüssiggas Umweltschädlich und sind ein zentrales Thema für den Klima- und Naturschutz in Deutschland.

Besonders problematisch wird die Klimabilanz, wenn Erdgas, wie beispielsweise in den USA, mittels Fracking aus dem Boden gewonnen, anschließend verflüssigt, über Ozeane nach Europa verschifft und am Zielort wieder in Gas umgewandelt wird. Jeder dieser Schritte erfordert enorme Energiemengen und birgt das Risiko weiterer Methanlecks, was die Gesamtbilanz zusätzlich belastet.

Die wahre Klimabilanz von LNG: Mehr als nur CO2

Die Kritik an Flüssigerdgas erhält durch ein aktuelles Gutachten des Hamburger Beratungsbüros Energycomment, im Auftrag der Ökoenergiegenossenschaft Green Planet Energy, neuen Auftrieb. Der mehr als 50 Seiten umfassende Bericht mit dem Titel “LNG-Boom in Deutschland” beleuchtet die tatsächliche Klimawirkung von LNG.

Energycomment stützt sich bei der Berechnung des CO2-Ausstoßes aus der Gasverbrennung in Industrie und Haushalten auf offizielle Angaben des Umweltbundesamtes, die etwa 200 Gramm CO2 pro Kilowattstunde (kWh) beziffern. Doch hier endet die Rechnung nicht. Hinzu kommen die Mengen an Methan, die bei der Gasförderung und dem Pipeline-Transport zu den Verflüssigungsanlagen entweichen. Ein weiterer signifikanter Faktor ist der hohe Energieaufwand für die Verflüssigung des Gases, den anschließenden Schiffstransport mit fossilen Antrieben sowie die erneute Umwandlung des LNG in Gas am Importterminal.

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Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren kommt Energycomment zu dem Schluss, dass Flüssigerdgas eine “tatsächliche Klimaschädlichkeit” von mindestens 300 Gramm CO2-Äquivalent pro Kilowattstunde aufweist. Dieser Wert gilt selbst unter überdurchschnittlich günstigen Bedingungen. Wird das Flüssigerdgas dann noch zur Stromerzeugung genutzt, steigt die Klimawirkung aufgrund des Wirkungsgrades von Kraftwerken (etwa 50 Prozent) auf mindestens 600 Gramm CO2-Äquivalent pro Kilowattstunde.

Damit erreicht Flüssigerdgas nahezu das Emissionsniveau von Steinkohle, deren Verstromung in der Regel etwa 700 Gramm CO2 pro Kilowattstunde freisetzt. Das Fazit der Studie ist deutlich: LNG-Importe sind erheblich klimaschädlicher, als offizielle Zahlen es derzeit vermuten lassen. Angesichts dieser Analyse fordert Sönke Tangermann, Vorstand bei Green Planet Energy: “Wenn Deutschland sich als Reaktion auf Ukraine-Krieg und russischen Gas-Importstopp mit Flüssiggas eindecken muss, sollte die Bundesregierung zumindest darauf achten, dass wir die LNG-Nutzung zeitlich wie mengenmäßig auf das absolute Minimum begrenzen.”

Überdimensionierte LNG-Infrastruktur und fehlende Bedarfsanalyse

Die Analyse von Energycomment untermauert auch frühere Abschätzungen, wonach die in Deutschland geplante LNG-Infrastruktur drastisch überdimensioniert ist. Die Kapazitäten der elf geplanten Terminals – acht schwimmende und drei landgestützte – sollen sich künftig auf rund 80 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr summieren. Diese Zahl übertrifft sogar die jüngsten Studien des New Climate Institute, die von einer Kapazität von 73 Milliarden Kubikmetern im “Endausbau” ausgehen.

Der Umfang der wegfallenden russischen Erdgasimporte nach Deutschland, der sich auf etwa 50 Milliarden Kubikmeter beläuft, wird durch die geplanten Kapazitäten bei Weitem übertroffen. Die ermittelten 80 Milliarden Kubikmeter könnten sogar den gesamten aktuellen Gasbedarf Deutschlands decken. Diese Entwicklung erscheint angesichts des Terminal-Booms in den Nachbarländern, stabiler Pipeline-Importe aus Norwegen und einer voraussichtlich stark sinkenden Gasnachfrage gemäß den Klimaplänen der Bundesregierung als “stark überdimensioniert”.

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Besonders kritisch bewerten die Hamburger Experten, dass die Regierung bisher keine aktuelle Bedarfsanalyse vorgelegt hat. Es bleibt unklar, welche Nachfrage der immense LNG-Ausbau tatsächlich bedienen soll. Die Medienlandschaft warnt abwechselnd vor einem zu geringen oder einem zu weitgehenden Ausbau der Importkapazitäten, was die Unsicherheit in der Energiepolitik widerspiegelt. Für Organisationen wie den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland sind solche Planungen alarmierend.

Das Wasserstoff-Märchen: LNG-Terminals sind nicht “Wasserstoff-ready”

Ein weiterer wichtiger Punkt der Studie ist die fehlende Eignung der LNG-Terminals für flüssigen Wasserstoff. Entgegen offizieller Beteuerungen sind sowohl die schwimmenden als auch die landgestützten Terminals für einen Wechsel auf Wasserstoff grundsätzlich nicht geeignet. Studienautor Steffen Bukold von Energycomment erklärt dazu: “Die Terminals sind trotz gegenteiliger offizieller Statements in keiner Weise ‘Wasserstoff-ready’.” Ein Übergang zu Wasserstoff würde einen nahezu vollständigen Neubau der aktuell geplanten Flüssigerdgas-Anlagen erfordern. Alternative Importverfahren, beispielsweise auf Basis von Ammoniak, wären mit hohen Kosten und erheblichen Energieverlusten verbunden. Dies zeigt, dass Investitionen in diese LNG-Infrastruktur das Risiko eines langfristigen “Fossil Lock-ins” bergen und die Transformation hin zu einem nachhaltigen Umweltmanagement erschweren.

Europa importiert russisches Erdgas als LNG: Eine paradoxe Entwicklung

Die Analyse von Energycomment deckt auch eine paradoxe Entwicklung auf: Die EU importierte 2022 “wider Erwarten und unter dem Radar der meisten Medien” so viel russisches LNG wie nie zuvor. Im Gegensatz zu Öl oder Kohle gibt es bisher keine EU-Sanktionen gegen russische LNG-Importe.

Im Zeitraum von Januar bis November 2022 hatte Russland einen Anteil von 16 Prozent an den europäischen LNG-Importen. Dies platziert Russland an die zweite Stelle hinter den USA (42 Prozent), aber noch vor Katar (14 Prozent). Die erste LNG-Tankerladung vom neuen russischen LNG-Terminal Portowaja ging dabei nach Griechenland. Portowaja liegt an der russischen Ostseeküste, direkt neben den mittlerweile stillgelegten Nord-Stream-Pipelines. Betreiber ist Gazprom. Das bedeutet, dass einstiges Nord-Stream-Erdgas nun offenbar per Schiff nach Europa gelangt. Die weltweit größten Kunden von russischem LNG sind laut Gutachten Japan, China und Frankreich.

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Wer seit Jahresbeginn 2022 über LNG-Ladungen verfügte, machte traumhafte Gewinne. Während Pipeline-Erdgas bis 2021 um die 20 Euro pro Megawattstunde kostete, stiegen die LNG-Preise in Nordwesteuropa im Laufe des Jahres 2022 auf das Zehnfache dieses Wertes und sanken nur selten unter das Fünffache des ursprünglichen Preises.

Fazit: Die Notwendigkeit einer klaren Energiewende-Strategie

Kurzfristig kommt Deutschland in der gegenwärtigen geopolitischen Lage um LNG-Lieferungen nicht herum, räumt Green-Planet-Vorstand Tangermann ein. Doch um nicht in einem fossilen “Lock-in” zu enden, muss deutlich mehr Ambition auf Energieeffizienz, den Ausbau erneuerbarer Energien und die heimische Wasserstoffproduktion gesetzt werden. Diese Bereiche erfordern auch eine kontinuierliche Fortbildung im Umweltbereich, um Expertise und innovative Lösungen voranzutreiben. Tangermanns Forderung ist unmissverständlich: “Der fossile Gasverbrauch muss so schnell wie möglich auf null sinken – das gilt für LNG wie Pipeline-Gas gleichermaßen.”

Die Erkenntnisse der Energycomment-Studie zeigen klar auf, dass die Annahme, Flüssigerdgas sei eine saubere Alternative, nicht haltbar ist. Die tatsächliche Klimabilanz, die Risiken einer überdimensionierten Infrastruktur und die fehlende Wasserstofftauglichkeit der Terminals unterstreichen die Dringlichkeit einer entschlossenen Energiewende. Es ist entscheidend, dass Deutschland seine Klimaziele ernst nimmt und eine Politik verfolgt, die den Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen konsequent vorantreibt, um eine wirklich nachhaltige Zukunft zu gestalten.

Dieser Artikel basiert auf den Erkenntnissen eines Gutachtens des Hamburger Beratungsbüros Energycomment, erstellt im Auftrag der Ökoenergiegenossenschaft Green Planet Energy.