Tanzen oder Fitnesstraining? Effekte auf Hippocampus und Gleichgewicht bei Senioren

Studien-Design: Rekrutierung, Drop-outs, Messzeitpunkte und Trainingsdauer

Altersbedingte Veränderungen in der Hirnstruktur gehen oft mit Gleichgewichtsproblemen und kognitiven Einschränkungen einher. Dennoch bleibt die Neuroplastizität – die Fähigkeit des Gehirns, sich anzupassen – ein Leben lang erhalten. Studien zu körperlicher Aktivität bei Senioren haben Volumenzuwächse im Hippocampus gezeigt, einer Schlüsselregion für Gedächtnisbildung, Lernen und räumliche Orientierung. Diese Veränderungen hingen mit besserer aerober Fitness zusammen. Zudem korreliert das Volumen des linken Hippocampus positiv mit der Gleichgewichtsleistung. Tanzen für Senioren erweist sich als ideale Intervention: Es verbindet Ausdauertraining, sensorimotorische Herausforderungen und kognitive Anforderungen bei geringem Verletzungsrisiko. In einer deutschen Langzeitstudie aus Magdeburg verglichen Forscher die Wirkungen eines 18-monatigen Tanzprogramms mit traditionellem Fitnesstraining auf Hippocampus-Subfelder und Gleichfähigkeiten. Vor und nach dem Training maßen sie das Gleichgewicht mittels Sensory Organization Test (SOT) und Hippocampus-Volumina per 3T-MRT (MP-RAGE). 14 Tänzer (67,2 ± 3,8 Jahre, 7 Frauen) und 12 Fitness-Teilnehmer (68,7 ± 2,6 Jahre, 5 Frauen) schlossen die Studie ab. Beide Gruppen wiesen Zunahmen im linken Hippocampus (CA1, CA2, Subiculum) auf. Tänzer profitierten zusätzlich vom linken Dentatusgyrus und rechten Subiculum. Nur Tanzen steigerte den Gleichgewichtsscore signifikant. Tanzen positioniert sich somit als Top-Maßnahme gegen altersbedingten Abbau von Körper und Geist.

Die Studie aus dem German Center for Neurodegenerative Diseases in Magdeburg unterstreicht die Spitzenforschung Deutschlands zur Gehirngesundheit bei Senioren. Entdecken Sie, wie Tanz als Alltagsmedizin wirkt.

Einleitung

Der menschliche Hippocampus leidet nicht nur unter pathologischen Prozessen wie Alzheimer, sondern auch unter normalem Altern. Dies führt zu Defiziten im Gedächtnis, Lernen und der räumlichen Navigation (Driscoll et al., 2003; Barnes et al., 2009). MRT-Studien zeigen eine Atrophierate von 2–3 % pro Jahrzehnt im Hippocampus und angrenzendem Parahippocampus (Raz et al., 2004, 2005), die ab 70 Jahren auf 1 % jährlich ansteigt (Jack et al., 1998).

Weiterlesen >>  NFL Spielplan 2025/26: Alle Termine, Teams und Highlights der Saison

Aktuelle Forschung belegt jedoch: Der Hippocampus erzeugt lebenslang neue Neuronen (Kempermann et al., 2010; Spalding et al., 2013). Bei Tieren treibt körperliche Aktivität diese Neuroplastizität an (van Praag et al., 1999; Kronenberg, 2003). Beim Menschen korrelieren höhere VO2max-Werte mit größerem Hippocampus-Volumen und besserem Gedächtnis (Erickson et al., 2011; Szabo et al., 2011). Mediatoren wie BDNF, IGF-1 und VEGF spielen eine Rolle, wenngleich Ergebnisse zu BDNF inkonsistent sind (Flöel et al., 2010; Ruscheweyh et al., 2011).

Studien-Design: Rekrutierung, Drop-outs, Messzeitpunkte und TrainingsdauerStudien-Design: Rekrutierung, Drop-outs, Messzeitpunkte und Trainingsdauer

Abbildung 1. Studienablauf: Freiwillige Rekrutierung, Ausfälle, Messungen und Trainingsperioden.

Der Hippocampus ist zudem für räumliche Navigation (O’Keefe, 1990) und motorische Sequenzkonsolidierung essenziell (Albouy et al., 2008). Koordinations- vs. Ausdauertraining vergrößerte den Hippocampus unterschiedlich (Niemann et al., 2014). Balancierstes Tanzen stimuliert vestibulär, visuell und sensorimotorisch (Hüfner et al., 2011). Gleichgewicht ist für Mobilität und Lebensqualität entscheidend (Dordevic et al., 2017).

Tanzen für Senioren integriert multisensorische Inputs und präzise Motorik. Frühere Studien zeigten Vorteile für Gleichgewicht und Gedächtnis (Kattenstroth et al., 2010, 2013; Rehfeld et al., 2014). Diese randomisierte Studie verglich 18 Monate Tanzen (neue Choreografien) mit Fitness (Ausdauer, Kraft, Dehnung) bei gesunden Senioren. Fokus: Subfelder wie Subiculum (Arbeitsgedächtnis), CA1–4 (Abruf), Dentatusgyrus (Neurogenese).

Materialien und Methoden

Studiendesign und Teilnehmer

Teil einer größeren Längsschnittstudie zu Neuroplastizität, BDNF und Kognition/Motorik (Müller et al., 2017). Drei Messzeitpunkte: Baseline, 6 Monate, 18 Monate. Ethikfreigabe: Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. 62 Freiwillige (63–80 Jahre) gescreent; Ausschlüsse: Neurologie, Implantate, Klaustrophobie, hohe Aktivität, MMSE <27, BDI-II >13. 52 randomisiert; 26 abschließend (14 Tanzen, 12 Fitness; Alter 67,9 ± 3,3 Jahre; keine Gruppenunterschiede).

Weiterlesen >>  Sport in Deutschland: Mehr als nur Fußball

Demografische Daten der Teilnehmer am Baseline (N=26)Demografische Daten der Teilnehmer am Baseline (N=26)

Tabelle 1. Demografie am Studienstart.

Interventionen

Details: Müller et al., 2016. 6 Monate 2×90 min/Woche; dann 12 Monate 1×90 min/Woche. Tanzen: Neue Choreos (Drehungen, Kopfspins, Einbeinstand, Chassé, Mambo). Fitness: Ausdauer (Fahrrad/Nordic Walking per Karvonen-Formel), Kraft, Flexibilität.

MRT-Analyse

3T Siemens Verio, MPRAGE. VBM mit SPM12: Segmentierung, DARTEL, Normalisierung, 5-mm-Smoothing.

Hippocampus-Maske und Subfelder

ROI-VBM mit Hippocampus-Maske (FDR p<0,05). Subfelder via SPM Anatomy Toolbox: CA1–3, DG/CA4, Subiculum.

Hippocampus-Subfelder in sagittaler, koronaler und axialer AnsichtHippocampus-Subfelder in sagittaler, koronaler und axialer Ansicht

Abbildung 2. Anatomische Unterteilung des Hippocampus.

Gleichgewichtsmessung

SOT (NeuroCom): 6 Bedingungen (visuell/somatosenesorisch/vestibulär). Composite Score: Durchschnitt aller Trials.

Statistik

SPSS: ANOVA (Gruppe × Zeit, Kovariaten: Alter, Geschlecht, Totalvolumen). T-Tests (Bonferroni), Korrelationen.

Ergebnisse

VBM mit Hippocampus-Maske

Keine Baselinunterschiede. Interaktion rechts (p_FDR=0,049). Tanzen: Signifikanter Zuwachs rechts (p_FDR=0,001).

Hippocampus-Volumenzunahme nach 18 Monaten TanzenHippocampus-Volumenzunahme nach 18 Monaten Tanzen

Abbildung 3. Volumenzunahmen im rechten Hippocampus der Tanzgruppe.

Subfelder-Volumina

Keine Baselinunterschiede. Zeit-Effekt: Links CA1/CA2, bilateral Subiculum, links CA4/DG.

Statistische Werte der ANOVAs für SubfelderStatistische Werte der ANOVAs für Subfelder

Tabelle 2. ANOVA-Ergebnisse Hippocampus-Subfelder.

Volumina der Subfelder vor/nach Intervention (Mittelwert ± SD)Volumina der Subfelder vor/nach Intervention (Mittelwert ± SD)

Abbildung 4. Subfelder-Volumina Tanz- vs. Fitnessgruppe (*p<0,05).

Tanzen: Zuwächse links CA1/CA2/CA4/DG, bilateral Subiculum. Fitness: Links CA1/CA2/Subiculum.

Gleichgewicht

Interaktion Composite Score (Zeit × Gruppe).

Statistische Werte SOT-ANOVAsStatistische Werte SOT-ANOVAs

Tabelle 3. ANOVA SOT-Sinnesbeiträge.

Interaktionseffekt Composite ScoreInteraktionseffekt Composite Score

Abbildung 5. Zeit × Gruppe für Composite Score (*signifikant).

Tanzen verbesserte alle Sinne; Fitness somato-/vestibulär.

Keine Korrelationen Volumen-Gleichgewicht.

Diskussion

Tierstudien zeigen: Aerobik + sensorische Bereicherung übertrifft Monotherapien (Kempermann et al., 2010). Diese Magdeburger Studie bestätigt: Beide Trainings fördern Hippocampus-Plastizität, Tanzen überlegen bei Subfeldern (DG!) und Gleichgewicht. Keine Korrelation deutet auf andere Mechanismen (z. B. Synapsen, Perfusionsänderungen).

Weiterlesen >>  NHL Draft 2022 Re-Draft: Eine Neubewertung der Talente nach drei Jahren

Tanzen stimuliert Neurogenese im DG (van Praag et al., 1999). Multisensorik erklärt Extraeffekte (Boyke et al., 2008). Gleichgewichtsgewinn reduziert Sturzrisiken (Dordevic et al., 2017).

Limitierungen: Trainingsreduktion, kleine Stichprobe (Drop-out), keine Passivkontrolle, automatisierte Segmentierung.

Zusammenfassung: Tanzen für Senioren schlägt Fitness bei Plastizität und Balance. Zukünftige Studien: Größere Kohorten, Mediatoren, Demenzprävention (Verghese et al., 2003).

Entdecken Sie Deutschlands Tanzkultur – von Ballroomsälen bis modernen Kursen – und halten Sie Gehirn und Körper jung. Starten Sie heute mit einem Tanzkurs in Ihrer Nähe und profitieren Sie von bewährter Forschung!

Quellen

  • Rehfeld K. et al. (2017). Front. Hum. Neurosci. 11:305. DOI: 10.3389/fnhum.2017.00305
  • Weitere Referenzen siehe Originalstudie auf Frontiersin.org.