Die Nase läuft, der Hals kratzt und der Kopf schmerzt – eine Erkältung ist unangenehm. Viele greifen dann zu altbewährten Hausmitteln, um die Symptome zu lindern und schnell wieder fit zu werden. Ganz oben auf der Liste steht oft das berühmte „Ausschwitzen der Erkältung“. Man kuschelt sich unter eine dicke Decke, trinkt heißen Tee und hofft, dass mit dem Schweiß auch die Krankheitserreger den Körper verlassen. Doch ist dieser Ansatz wissenschaftlich fundiert oder lediglich ein lieb gewonnener Mythos? Wir haben eine Expertin befragt, um Klarheit zu schaffen.
Die Hausärztin Anne Katrin Liem nimmt dem Volksglauben gleich zu Beginn den Wind aus den Segeln: „Also das Virus, das die Erkältung verursacht, kann man nicht ausschwitzen.“ Diese klare Aussage ist ernüchternd für all jene, die auf die Kraft des Schwitzens schwören.
Die Wahrheit über das Ausschwitzen einer Erkältung: Was die Wissenschaft sagt
Wie Dr. Liem betont, ist es ein Irrglaube, dass man die Erkältungsviren einfach durch Schwitzen aus dem Körper befördern kann. Viren sind intrazelluläre Parasiten; sie nisten sich in den Zellen des Körpers ein und vermehren sich dort. Der Schweißdrüsenapparat ist nicht dazu gedacht, Viren auszuscheiden, sondern reguliert die Körpertemperatur und scheidet Salze sowie Stoffwechselprodukte aus. Die Ursache der Erkältung, die Viren, bleiben also trotz intensiven Schwitzens im Körper.
Dennoch ist der Gedanke, sich bei einer Erkältung warmzuhalten, nicht völlig falsch. Wärme tut dem Körper gut, das bestätigt auch die Hausärztin: „Die Durchblutung wird gesteigert und dadurch werden die Schleimhäute besser durchblutet.“ Eine verbesserte Durchblutung kann die Immunabwehr in den oberen Atemwegen unterstützen und dazu beitragen, dass sich die Schleimhäute regenerieren. Dies kann wiederum die Symptome wie Schnupfen und Husten lindern und das allgemeine Wohlbefinden steigern. Es geht also weniger darum, die Krankheit „auszuschwitzen“, als vielmehr darum, dem Körper durch Wärme eine angenehme und heilungsfördernde Umgebung zu schaffen.
Frau mit Erkältung schnäuzt sich auf dem Sofa und versucht, die Symptome durch Wärme zu lindern.
Erkältungsbad: Eine Wohltat mit Vorsicht genießen
Ein beliebtes Hausmittel im Kampf gegen die Erkältung ist das Erkältungsbad. Es verspricht Wärme von außen und oft Linderung durch ätherische Öle. Dr. Liem gibt hierfür eine wichtige Einschränkung: Ein Erkältungsbad kann man nehmen, solange man kein Fieber hat. Fieber ist ein Zeichen, dass der Körper bereits intensiv gegen die Erreger kämpft und die Körpertemperatur erhöht ist. Ein zusätzliches heißes Bad könnte den Kreislauf zu stark belasten und zu Schwindel oder sogar einem Kollaps führen.
Wenn Sie sich für ein Erkältungsbad entscheiden, sollten Sie einige Regeln beachten, um mehr Nutzen als Schaden zu erzielen:
- Temperatur: Das Badewasser sollte nicht heißer als 39 Grad Celsius sein. Zu heißes Wasser kann den Kreislauf überfordern.
- Dauer: Bleiben Sie nicht länger als 20 Minuten im Bad. Auch hier geht es um die Belastung des Kreislaufs.
- Nach dem Bad: Nach dem Bad ist es entscheidend, sich sofort warm einzupacken. Ziehen Sie bequeme, warme Kleidung an, legen Sie sich ins Bett und ruhen Sie sich aus. Vermeiden Sie es unbedingt, direkt nach dem warmen Bad in die Kälte zu gehen, da dies den Körper zusätzlich schwächen und die Erkältung verschlimmern könnte.
Eine weitere Warnung spricht Dr. Liem bezüglich der ätherischen Öle aus, die häufig in Erkältungsbädern enthalten sind. Für Asthmatiker oder Personen mit empfindlichen Atemwegen können diese Öle Reizungen der Bronchien auslösen und Atemnot verursachen. In solchen Fällen ist es ratsam, auf Bäder mit ätherischen Zusätzen zu verzichten oder zumindest einen Arzt oder Apotheker zu konsultieren. Generell gilt: Bei Unsicherheiten oder Vorerkrankungen ist stets ärztlicher Rat einzuholen, bevor man Hausmittel anwendet.
Effektive Wege zur Linderung von Erkältungssymptomen
Da das bloße Ausschwitzen der Viren nicht funktioniert, konzentrieren wir uns auf bewährte Methoden, die tatsächlich zur Linderung beitragen und den Genesungsprozess unterstützen:
- Viel Trinken: Flüssigkeitszufuhr ist das A und O bei einer Erkältung. Wasser, ungesüßte Kräutertees (z.B. Kamille, Salbei, Pfefferminze oder Ingwertee) halten die Schleimhäute feucht und helfen, Schleim zu verflüssigen und abzutransportieren.
- Ausreichend Ruhe und Schlaf: Der Körper benötigt viel Energie, um gegen die Viren anzukämpfen. Gönnen Sie sich Bettruhe und ausreichend Schlaf, damit das Immunsystem seine Arbeit machen kann.
- Luft befeuchten: Trockene Heizungsluft kann die Schleimhäute zusätzlich austrocknen. Ein Luftbefeuchter, feuchte Tücher auf der Heizung oder regelmäßiges Lüften können hier Abhilfe schaffen.
- Inhalationen und Nasenspülungen: Das Inhalieren von Wasserdampf (ggf. mit Salz oder speziellen Zusätzen) befeuchtet die Atemwege und löst festsitzenden Schleim. Nasenspülungen mit Salzwasser reinigen die Nasenschleimhäute und können die Schwellung reduzieren.
- Hausmittel: Bewährte Hausmittel wie eine wärmende Hühnersuppe, Zwiebelsaft gegen Husten oder Honig zur Beruhigung des Halses können wohltuend wirken.
- Immunsystem stärken: Achten Sie generell auf eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst und Gemüse, die reich an Vitaminen (insbesondere Vitamin C und D) und Zink sind. Auch moderate Bewegung an der frischen Luft kann das Immunsystem unterstützen, aber nicht, wenn Sie bereits krank sind.
Wann zum Arzt? Symptome, die Sie ernst nehmen sollten
Auch wenn eine Erkältung meist harmlos verläuft, gibt es Situationen, in denen ein Arztbesuch unerlässlich ist. Suchen Sie medizinischen Rat, wenn:
- Fieber länger als drei Tage anhält oder über 39 Grad Celsius steigt.
- Starke Schmerzen (Brustschmerzen, starke Kopfschmerzen, Ohrenschmerzen) auftreten.
- Atemnot oder pfeifende Atemgeräusche hinzukommen.
- Der Husten sich verschlimmert, blutigen Auswurf hat oder länger als eine Woche anhält.
- Die Symptome sich nach einigen Tagen nicht bessern, sondern eher verschlimmern.
- Sie zu einer Risikogruppe gehören (z.B. chronische Krankheiten wie Asthma, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder ein geschwächtes Immunsystem).
Fazit: Wärme ja, Ausschwitzen der Viren nein
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Vorstellung, eine Erkältung einfach “ausschwitzen” zu können, indem man die verursachenden Viren durch Schweiß aus dem Körper befördert, ist ein Mythos. Die eigentlichen Krankheitserreger, die Viren, werden nicht durch Schwitzen ausgeschieden. Nichtsdestotrotz ist Wärme bei einer Erkältung sehr wohltuend. Sie fördert die Durchblutung, entspannt den Körper und kann so zur Linderung der Symptome und zu einem besseren Wohlbefinden beitragen.
Wärme ist ein wichtiger Baustein der Selbsthilfe, doch sie ersetzt nicht die grundlegenden Maßnahmen wie ausreichend Ruhe, viel Flüssigkeit und die sorgfältige Beobachtung der Symptome. Hören Sie auf Ihren Körper, gönnen Sie ihm die nötige Erholung und zögern Sie nicht, ärztlichen Rat einzuholen, wenn sich Ihre Beschwerden verschlimmern oder ungewöhnliche Symptome auftreten. Vertrauen Sie auf fundierte Informationen und Expertenwissen, um Ihre Gesundheit bestmöglich zu schützen.
Wie lange dauert eigentlich eine Erkältung? Erfahren Sie in unserem weiteren Artikel mehr über die Dauer einer Erkältung.
Für weitere Einblicke in Gesundheitsthemen hören Sie auch diese Episode der Blauen Couch, in der Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer darüber spricht, wie wichtig es ist, einen Hausarzt des Vertrauens zu finden:
