Hund mit Elektrohalsband
Ein Elektrohalsband scheint auf den ersten Blick eine einfache Lösung zur Kontrolle und Erziehung eines Hundes zu bieten. Viele Hundehalter greifen in verzweifelten Situationen zu diesem Mittel, wenn der Hund beispielsweise Jagdtriebe zeigt, Radfahrer oder Kinder verfolgt oder schlichtweg nicht hört. Die Vorstellung, per Knopfdruck Gehorsam zu erzielen, wirkt verlockend. Doch was steckt wirklich hinter dieser vermeintlichen „Soforthilfe“? Dieser Artikel beleuchtet die Funktionsweise, die tierschutzrechtlichen Bedenken und die rechtliche Situation von Elektrohalsbändern für Hunde.
Hundeerziehung: Belohnung versus Strafe
Grundsätzlich gibt es zwei Ansätze, das Verhalten eines Hundes zu beeinflussen: Belohnung und Strafe. Die moderne Hundeerziehung, wie sie auch in der Ausbildung zum Hundetrainer vermittelt wird, setzt auf positive Verstärkung. Hierbei wird erwünschtes Verhalten durch Lob, Leckerlis oder Spiel belohnt. Dieses Training ist nicht nur effektiv, sondern stärkt auch die Bindung zwischen Mensch und Tier und beschädigt das Vertrauen nicht.
Hund im Schnüffelspiel
Futtersuchspiele befriedigen Bedürfnisse und können Hunde von unerwünschtem Verhalten abhalten.
Anders verhält es sich bei der Strafmethode. Diese wirkt primär angstauslösend und oft schmerzhaft. Tiere lernen, Verhalten zu vermeiden, das mit negativen Konsequenzen verbunden ist. Problematisch dabei ist, dass das Verhalten nicht unbedingt verlernt, sondern lediglich unterdrückt wird. Bei einem stärkeren Anreiz kann das unterdrückte Verhalten trotz Strafandrohung wieder zum Vorschein kommen und erfordert dann möglicherweise eine noch härtere Bestrafung.
Neurobiologische Unterschiede
Im Gehirn werden Belohnung und Strafe unterschiedlich verarbeitet. Positive Verstärkung aktiviert Wohlfühlhormone wie Dopamin, Serotonin und Oxytocin. Strafe hingegen aktiviert die Stressachsen des Körpers mit Hormonen wie Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin.
Die Problematik der Strafreize in der Hundeerziehung
Damit Strafe wirksam ist, müsste sie unmittelbar (innerhalb von 0,5 Sekunden) nach dem unerwünschten Verhalten erfolgen, damit der Hund die Verknüpfung herstellen kann. Eine zeitverzögerte Strafe kann dazu führen, dass der Hund diese mit einem anderen Reiz in der Umgebung verknüpft, was zu neuen Ängsten oder Fehlverknüpfungen führen kann. Insbesondere anonyme Bestrafung – also eine Bestrafung, deren Ursache der Hund nicht eindeutig zuordnen kann, wie es bei einem Elektrohalsband der Fall sein kann – birgt das Risiko fataler Fehlverknüpfungen, die zu Aggressionen oder Verhaltensstörungen führen können.
Das Strafmaß muss zudem präzise auf den Hund und das Verhalten abgestimmt sein. Ist es zu schwach, bleibt es wirkungslos. Ist es zu stark, drohen erheblicher Stress, Schmerz und Angst. Die individuelle Schmerzempfindung eines Hundes variiert und ist oft schwer einzuschätzen, was die Regulierung des Strafmaßes zusätzlich erschwert. Selbst ein scheinbar „angemessenes“ Strafmaß lehrt den Hund lediglich negative Konsequenzen und belastet das Vertrauen zum Menschen. Es werden keine positiven Verhaltensalternativen aufgezeigt, die dem Hund helfen, unerwünschtes Verhalten durch erwünschtes zu ersetzen.
Selbstbelohnendes Verhalten
Besonders herausfordernd ist die Kontrolle von selbstbelohnendem Verhalten. Dazu zählt unter anderem das Jagdverhalten, bei dem die Lust am Jagen selbst, unabhängig vom Jagderfolg, eine starke Motivation darstellt. Um solches Verhalten mittels Strafe zu kontrollieren, müsste der Strafreiz exakt im Moment des Ansetzens zur Jagd erfolgen. Dies erfordert eine extrem hohe Aufmerksamkeit und Konzentration des Hundeführers, die in der Praxis oft schwer aufrechtzuerhalten ist.
Jagdhunde mit ElektrohalsbandFür jagdlich geführte Hunde besteht keine Ausnahme vom Verbot von Elektrohalsbändern.
Hundeerziehung unter Strom: Die Funktionsweise von Elektrohalsbändern
Ein Elektrohalsband, auch bekannt unter diversen anderen Bezeichnungen wie Stromhalsband oder Ferntrainer, besteht aus einem Handsender und einem Empfänger am Halsband. Bei Auslösung über den Sender wird ein elektrischer Spannungsimpuls an den Hals des Hundes abgegeben. Die Reichweite kann bis zu drei Kilometer betragen, und die Impulse können sehr schnell hintereinander abgegeben werden. Die Stärke des Stromschlags ist regelbar.
Diese Geräte werden zu den aversiven Erziehungsmaßnahmen gezählt, da sie dem Hund unangenehm sind und Schmerz verursachen. Da Schmerz eine biologisch verankerte Überlebensstrategie ist und als Lernbeschleuniger wirkt, scheinen Elektroimpulsgeräte schnell Erfolge zu erzielen. Dies bedient den Wunsch vieler Hundehalter nach einer schnellen und einfachen Lösung.
Risiken bei falscher Anwendung von Elektrohalsbändern
Obwohl Stromhalsbänder im Handel oft als schonende Erziehungshilfen beworben werden, sind sie für den Hund keineswegs schonend. Die Risiken einer unsachgemäßen Anwendung sind erheblich und werden von Befürwortern oft bagatellisiert, während Tierärzte, Wissenschaftler und Kynologen darauf immer wieder hinweisen:
| Technische Gründe | Physiologische und Psychologische Gründe |
|---|---|
| Fehlfunktionen: Geräte können störanfällig sein und zu unerwünschten, zu starken oder zu schwachen Stromimpulsen, oder sogar zu Dauerauslösungen führen. Dies kann zu unangemessener oder falscher Bestrafung führen. | Schmerz und Verbrennungen: Ein starker Stromschlag ist sehr schmerzhaft und kann zu Verbrennungen der Haut führen. Die individuelle Schmerzempfindung des Hundes variiert, was die Einstellung des richtigen Maßes erschwert. |
| Feuchtigkeit: Nässe kann die Reizwirkung verändern und verstärken. | Schwierige Kontrolle von selbstbelohnendem Verhalten: Jagd- oder Futterdiebstahl sind schwer zu kontrollieren, was extrem hohe Stromstärken erfordern würde. |
| Hohe Reichweite: Unkontrollierte Bestrafung auch außer Sichtweite des Halters ist möglich. | Anonyme Bestrafung: Angstauslösend, da die Ursache unklar ist. Dies kann zu umgerichteter Aggression gegenüber Anwesenden führen. Ängstliche Hunde können in Panik geraten. |
| Unachtsamer Umgang: Bestrafungen können auch bei korrektem Verhalten des Hundes ausgelöst werden. | Fehlverknüpfungen und Aggression: Leichte Entstehung von Fehlverknüpfungen, die zu Aggressionen gegen Menschen und Tiere führen können. Angst vor bestimmten Geräuschen, Gerüchen oder Situationen kann entstehen. |
Erlernte Hilflosigkeit: Der ultimative Kontrollverlust
Wenn das Verhalten des Hundes und die daraus resultierende Strafe wiederholt nicht zusammenpassen oder die Impulse willkürlich und schmerzhaft empfunden werden, kann der Hund die Folgen seines Verhaltens nicht mehr einschätzen. Er verliert die Kontrolle und das Gefühl, sein Verhalten beeinflussen zu können. Bei entsprechend veranlagten Hunden kann dies zu erlernter Hilflosigkeit führen – einer ernsthaften psychischen Störung, die mit Hoffnungslosigkeit, Gleichgültigkeit und Apathie einhergeht. Dies ist das Gegenteil von Selbstwirksamkeit, bei der der Hund lernt, dass sein Verhalten Einfluss auf die Ereignisse hat und er die Möglichkeit hat, erwünschte Reaktionen hervorzurufen.
Erlernte Hilflosigkeit ist das Ergebnis von erlebtem maximalem Kontrollverlust.
Die Rechtslage zur Verwendung von Stromhalsbändern in Deutschland und Europa
Die Anwendung von Elektroreizgeräten für Hunde ist in vielen europäischen Ländern gesetzlich verboten.
- Deutschland: Seit 2006 ist die Anwendung von Elektrohalsbändern verboten. Nach §18 Abs.1 Nr. 4, Abs. 2 TierSchG stellt die Anwendung eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 Euro geahndet werden kann. Jäger können sogar ihren Jagdschein verlieren. Laut dem Waffengesetz werden solche Geräte sogar als Waffen eingestuft, da sie bestimmungsgemäß unter Ausnutzung einer anderen als mechanischen Energie Tieren Schmerzen beibringen.
- Österreich: Seit 2005 ist die Anwendung von Geräten, die Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwere Angst zufügen, verboten. Die tierschutzkonforme Ausbildung von Hunden betont die positive Motivation und verbietet den Einsatz von Mitteln, die das Tier durch Härte oder Strafreize beeinflussen.
- Schweiz: Seit 2008 ist die Verwendung von Geräten, die elektrisieren, unangenehme akustische Signale aussenden oder mittels chemischer Stoffe wirken, verboten, sofern dies zu Verletzungen, erheblichen Schmerzen oder starker Reizung/Angst führt.
- Vereinigtes Königreich: In Wales gilt das Verbot seit 2010. In England trat das Verbot am 1. Februar 2024 in Kraft.
- Frankreich: Seit 2023 ist die Anwendung von Elektrohalsbändern verboten.
Diese Gesetze gelten auch für Durchreisende und Urlauber. Entscheidend ist dabei nicht, ob ein Gerät im Einzelfall tatsächlich Schaden anrichtet, sondern allein die Möglichkeit dazu, insbesondere bei unsachgemäßem Einsatz oder Fehlfunktion. Da es wirksame und zumutbare Alternativen zur Verhaltensbeeinflussung gibt, wie tiergerechtes Hundetraining und verhaltenstherapeutische Interventionen, besteht kein Bedarf für den Einsatz schmerzhafter Methoden.
Hund im SchnüffelspielFuttersuchspiele befriedigen Bedürfnisse. Sie können als attraktive Alternative etabliert werden und Hunde von unerwünschtem Verhalten abhalten.
Kaufen erlaubt, Anwendung verboten: Eine paradoxe Situation
Trotz des Anwendungsverbots sind Elektrohalsbänder in Deutschland und anderen Ländern weiterhin käuflich zu erwerben. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits 2006 entschieden, dass Geräte, die dem Hund Leiden oder Schmerzen zufügen können, nicht eingesetzt werden dürfen. Gerichte haben zudem bestätigt, dass auch Niedrigstrom-Impulsgeräte erhebliche Leiden und psychische Schäden verursachen können. Verbände wie der VDH und der IRJGV haben diese Geräte seit Langem von ihren Trainingsplätzen verbannt.
Das Verbot des Elektrohalsbandes ist keine Schikane, sondern das Ergebnis wachsenden Wissens über das Wohlbefinden von Hunden. Der Einsatz dieser Geräte ähnelt der Körperverletzung beim Menschen, und die wissenschaftlichen Erkenntnisse, wie die Studien von Schalke et al. (2007) zur Beeinträchtigung des Wohlbefindens und die von Olsson et al. (2017) zu aggressiveren Hunden bei strafbasiertem Training, untermauern die Notwendigkeit eines Verbots.
Fazit
Stromführende Erziehungshilfen und ähnliche Geräte setzen schmerzhafte Strafreize, die insbesondere bei unsachgemäßer Anwendung und Fehlfunktion das Wohlbefinden des Hundes erheblich einschränken. Angesichts der Verfügbarkeit anderer, nicht schmerzhafter und effektiver Erziehungsmethoden, gibt es keinen vernünftigen Grund für den Einsatz von Geräten, die dem Tier Schmerz zufügen. Obwohl Elektrohalsbänder in vielen Ländern gekauft werden dürfen, ist ihre Anwendung am Hund strengstens verboten und kann empfindliche Strafen nach sich ziehen. Der Schutz des Tierwohls steht hier klar im Vordergrund.
Patricia Lösche
Patricia Lösche ist freie Autorin, Text- und Bild-Journalistin. Ihre Leidenschaft für Tiere und ihr fundiertes Wissen aus Biologie, Journalistik und Tierheilkunde/Tierpsychologie fließen in ihre zahlreichen Beiträge für ATM und ATN ein. Mit Empathie, Achtung und Verständnis auf Augenhöhe im Umgang mit Tieren, setzt sie sich für deren Wohl ein.
Quellenauswahl:
- J.Stichnoth (2002): Stresserscheinungen beim praxisähnlichen Einsatz von elektrischen Erziehungshalsbändern beim Hund
- E. Schalke et al. (2007): Clinical signs caused by the use of electric training collars on dogs in everyday live situations
- M.E. Seligman et al. (1975): Learned helplessness in the rat
- Olsson et al. (2017): Do aversive-based training methods actually compromise dog welfare?: A literature review
- Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT), Merkblätter 51 und 194
- Tierschutz-Hundeverordnung
- Tierschutzgesetz Deutschland
- Waffengesetz Deutschland Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 Begriffsbestimmungen
- Schweizer Tierschutzverordnung (TSchV)
- Rechtsvorschrift für nähere Bestimmungen über die tierschutzkonforme Ausbildung von Hunden, Fassung vom 10.03.2024 (Österreich)
- Erläuterungen zur Verordnung zu Ausbildung und Verhaltenstraining von Hunden
- RA Dr. Heiko Granzin (undatiert)
