Der Deutsche Buchpreis ist eine der renommiertesten Auszeichnungen für deutschsprachige Literatur und würdigt jährlich den “Roman des Jahres”. Im Jahr 2021 lag die Überraschung in der Luft, als Antje Rávik Strubels Roman “Blaue Frau” die Shortlist erreichte – als einziges Werk aus dem Herbstprogramm. Diese Entscheidung rückte die Fähigkeit von Literatur in den Fokus, tiefgreifende Themen wie Traumata, Flucht und gesellschaftliche Machtgefälle zu verhandeln.
Die Shortlist 2021: Ein Kaleidoskop literarischer Stimmen
Die diesjährige Auswahl zum Deutschen Buchpreis präsentierte eine bemerkenswerte Bandbreite an literarischen Ansätzen. Neben Strubels “Blaue Frau” fanden sich weitere herausragende Werke auf der Shortlist, die unterschiedliche Facetten des menschlichen Erlebens beleuchteten:
- Thomas Kunst mit “Zandschower Klinken”: Ein dadaistisch-fröhlicher Reisebericht, der das “schöne Leben in Armut” beschreibt.
- Mithu Sanyal mit “Identitti”: Ein selbstironischer College-Roman, der sich mit Identitätspolitik auseinandersetzt.
- Norbert Gstrein mit “Der zweite Jakob”: Ein biografisches Verwirrspiel voller Abgründe.
- Christian Kracht mit “Eurotrash”: Die verzweifelt-zärtliche Taxireise eines weltüberdrüssigen Erzählers mit seiner dementen Mutter.
- Monika Helfer mit “Vati”: Eine einfühlsame Beschreibung des Fremden in der Familie.
Obwohl einige dieser Frühjahrstitel die Bestsellerlisten stürmten, gerieten sie angesichts der kürzeren Liste der Herbstprogramme fast ein wenig in den Hintergrund. Dies führte dazu, dass es in diesem Jahr etwas stiller um den Buchpreis wurde, obwohl die Auswahl inhaltlich und künstlerisch anspruchsvoll war.
“Blaue Frau”: Ein Roman von existenzieller Wucht und poetischer Präzision
Antje Rávik Strubels Roman “Blaue Frau” wurde von der Jury als “ein Buch von existenzieller Wucht” gewürdigt. Das Werk schildert die Traumatisierung einer jungen Tschechoslowakin, die nach einer Vergewaltigung in Deutschland Zuflucht in Helsinki sucht. Strubel gelingt es auf beeindruckende Weise, die posttraumatische Empfindung ihrer Heldin sprachlich umzusetzen. Sprachlosigkeit wird hier durch Blicke, Gefühlsäußerungen und Erlebnisse fühlbar gemacht, wodurch jeder Ort für die Protagonistin unsicher und unklar wird – eine Atmosphäre, die sich nahtlos auf den Leser überträgt.
Jury für den Deutschen Buchpreis 2021
Die Jury hob hervor, dass Antje Rávik Strubel mit “poetischer Präzision” das Geschehene Schicht um Schicht freilegt. Der Roman weitet sich von einer Geschichte weiblicher Selbstermächtigung zu einer Reflexion über rivalisierende Erinnerungskulturen in Ost- und Westeuropa sowie über Machtgefälle zwischen den Geschlechtern. Die rätselhafte Figur der blauen Frau dient dabei als Dialogpartnerin, die es der Erzählerin ermöglicht, das Unaussprechliche einer traumatischen Erfahrung zur Sprache zu bringen. Literatur wird hier zur “fragilen Gegenmacht gegen die Gewalt” – eine Rolle, die der Deutsche Buchpreis mit dieser Auszeichnung eindrucksvoll unterstreicht.
Literatur als “ästhetischer Spielplatz” und politische Handlung
Antje Rávik Strubel bezeichnete in ihrer Dankesrede die Literatur als “ästhetischen Spielplatz”, womit sie an Friedrich Schillers Vorstellung anknüpft, dass der Mensch nur dort ganz Mensch ist, wo er spielt. Dieser Spielplatz ist jedoch keineswegs eine rein ästhetische Angelegenheit, sondern eine hochpolitische. Strubels Roman beleuchtet, wie die Geschichte ihrer Protagonistin, die durch politische und gesellschaftliche Verhältnisse ausnutzbar wird, den Graben zwischen Ost- und Westeuropa widerspiegelt. Ihr Leben ist qua Geschlecht und Herkunft prekär, was sich in allen Aspekten ihrer Erlebnisse niederschlägt.
Die sechs Bücher auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis 2021
Der Deutsche Buchpreis, dotiert mit insgesamt 37.500 Euro, wird von der Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels verliehen. Die Auszeichnung würdigt nicht nur herausragende Romane, sondern betont auch die Bedeutung von Literatur als Medium zur Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen und zur Reflexion über die Welt. Die diesjährige Wahl von “Blaue Frau” unterstreicht die Relevanz von Themen wie Trauma, weiblicher Ermächtigung und der europäischen Identität in der zeitgenössischen Literatur.
Der Deutsche Buchpreis 2021 hat somit eindrucksvoll gezeigt, wie Romane als “Orte der Irritation und des Wagnisses” fungieren können, die Leser herausfordern und zum Nachdenken anregen.
Entdecken Sie die Vielfalt der deutschsprachigen Literatur und lassen Sie sich von Werken wie “Blaue Frau” inspirieren, die tief in die menschliche Psyche eintauchen und komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge beleuchten. Tauchen Sie ein in die Welt der Bücher und erleben Sie die transformative Kraft der Literatur.
