Die Decent Espresso: Ein Spielfeld für Kaffeeenthusiasten

Größe der Decent Espresso

Wenn Sie bereit sind, über 2500 € für eine Espressomaschine auszugeben, dann sollten Sie die Decent Espressomaschine in Betracht ziehen. Dieses Gerät bietet eine unvergleichliche Kaffeeerfahrung, die das Potenzial hat, den Markt für ambitionierte Heimanwender, Röstereien und sogar gastronomische Konzepte so zu revolutionieren, wie es Ikawa mit seinen Sample Röstern getan hat. Dieser Artikel basiert auf einer vierstündigen Testphase der Decent Espressomaschine, durchgeführt von Patrizio Frigeri, zweifacher Schweizer Vize-Barista-Meister und Ingenieur.

Design, Ausstattung und Konfigurationsmöglichkeiten

Die Decent Espressomaschine wird in einem praktischen Rollkoffer geliefert, der alles Notwendige für den sofortigen Einsatz enthält. Im Vergleich zu Profi-Heimmaschinen wie der La Marzocco GS3 ist die Decent bemerkenswert einfach auf- und abzubauen. Ein zentrales Element ist das mitgelieferte Android-Tablet zur Steuerung, wobei die Software auch auf eigenen Geräten installiert werden kann.

Zwei Keramikschalen dienen als Wasserreservoir und Tropfschale. Diese sind nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern auch leicht zu reinigen und spülmaschinenfest, was einen Vorteil gegenüber den oft schwer zu reinigenden Plastikbehältern anderer Maschinen darstellt. Ein vorne verschraubter Griff kompensiert das geringe Eigengewicht der Maschine und verhindert, dass sie beim Einspannen des Siebträgers verrutscht.

Eine integrierte Bluetooth-fähige Waage spielt eine entscheidende Rolle bei der Kalibrierung von Milchkrügen und der Steuerung der Maschine. Die Decent ist in verschiedenen Ausführungen erhältlich: die DE1+ für den privaten Gebrauch, die DE1Pro für Büros, Home-Baristas und Restaurants, und die DE1XL, die durch optionale Bausätze für Festwasseranschlüsse und externe Boiler für den anspruchsvollen gastronomischen Einsatz vorbereitet ist.

Mit Abmessungen von 22,5 cm Breite, 42,5 cm Höhe und 48,3 cm Tiefe (inklusive der hervorstehenden Griffe) ist die Maschine kompakt. Mit einem Gewicht von 13 kg und der Lieferung im Koffer ist sie zudem transportabel. Das Gehäuse besteht vollständig aus Metall und ist hochwertig verarbeitet. Sowohl die Siebträger als auch die Siebe werden mikroskopisch kontrolliert und sind von extrem hoher Präzision, was sie von vielen anderen Dual-Boiler-Maschinen im Preisbereich über 2000 Euro abhebt. Die Maschine unterstützt professionelle Tamper der Größe 58,5 mm.

Größe der Decent EspressoGröße der Decent Espresso

Der erste Espresso: Ein ungewohntes Klangerlebnis

Technologisch bietet die Decent Espressomaschine eine Fülle von Innovationen. Doch bevor wir uns in technischen Details verlieren, widmen wir uns dem ersten Espresso. Die Maschine produziert beim Brühvorgang Geräusche, die von anderen Espressomaschinen unbekannt sind – ein Knattern und Stottern. Diese sind auf die Phasenanschnittsteuerung der Vibrationspumpe zurückzuführen, die den Druck nicht konstant aufrechterhält, sondern ihn entsprechend der gewünschten Druckkurve moduliert.

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Italienischer EspressoItalienischer Espresso

Italienisches Espresso-Profil vs. eigene Kreationen

Mit der Decent kann man nicht nur ein “klassisches italienisches Espresso”-Profil nachbilden, sondern auch die Charakteristika einer Hebelmaschine simulieren oder völlig neue Wege beschreiten. Die Steuerungssoftware erlaubt die Programmierung nahezu jedes Druckprofils.

Die Dauer der Vorbrühung lässt sich mit wenigen Handgriffen verändern oder ganz abschalten. Beim Test mit einem hell gerösteten Filterkaffee “Alessandro” zeigte sich, dass das klassische italienische Profil zu sauer schmeckte. Bei herkömmlichen Maschinen würde man nun den Mahlgrad anpassen, das Brühverhältnis ändern oder den Kaffee wechseln. Die Decent bietet hier einen anderen Ansatz:

Profile wechseln statt die Mühle verstellen

Natürlich kann man auch mit der Decent konventionell arbeiten. Bei unserem Beispielkaffee Alessandro könnten wir gröber mahlen und das Verhältnis von 1:2,5 (20g Kaffee, 50g Espresso) auf 1:3 (20g Kaffee, 60g Espresso) ändern. Auch die Anpassung der Brühtemperatur wäre eine Option, falls die Espressomaschine dies zulässt.

Die Decent ermöglicht es jedoch, den Ansatz zu wechseln und von einem Druckprofil zu einem Fließprofil zu switchen.

Druckprofil vs. Fließprofil bei Espressomaschinen

Die meisten Espressomaschinen arbeiten mit einem konstanten Druck (z.B. 8 oder 9 Bar) über den gesamten Brühvorgang. Einige bieten eine Art Vorbrühung aufgrund ihrer Konstruktion. Druckprofil-Maschinen erlauben die präzise Kontrolle des Drucks während der Extraktion, wie man sie von der La Marzocco GS3 MP oder professionellen Gastronomiemaschinen kennt.

Die Decent geht einen Schritt weiter mit der Flow-Control, also der Steuerung der Fließgeschwindigkeit des Wassers. Anstatt den Druck zu regeln, passt die Maschine diesen an die tatsächliche Ausflussgeschwindigkeit an. Wenn das Wasser zu schnell durch den Kaffeekuchen fließt – sei es durch zu groben Mahlgrad oder Channeling – reduziert die Maschine den Druck. Dies führt zu einer weniger aggressiven Extraktion und erhöht die Wahrscheinlichkeit eines genießbaren Espressos im Vergleich zu einem konstanten Druckprofil.

Die Maschine kann somit kleinere Fehler im Mahlgrad, beim Leveln oder Tampen des Kaffees teilweise kompensieren. Dennoch bleibt eine sorgfältige Kaffeezubereitung eine wesentliche Voraussetzung für exzellenten Kaffee.

Flussprofil (Flow Profil)Flussprofil (Flow Profil)

Mischwasser und Temperaturkontrolle bei Decent

Die Temperaturkontrolle des Wassers erfolgt bei der Decent direkt über der Dusche. Ein integrierter Temperatursensor kommuniziert fortlaufend mit der Software und passt die Mischung aus heißem und kaltem Wasser an die gewünschte Temperatur an. Dieses Prinzip ermöglicht die präzise Steuerung und Antizipation der Vorlagen. Im Gegensatz zu anderen Espressomaschinen, bei denen die Steuerung nahe am Boiler oder der thermischen Einheit sitzt und die Temperatur aufgrund von erwarteten Wärmeverlusten bis zum Auslass über eine Standardabweichung programmiert wird, agiert die Decent deutlich direkter.

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Die Decent verfügt über zwei Thermoblöcke: einen für das Brühwasser und einen für das Milchschäumen. Diese Prozesse können nicht gleichzeitig ablaufen, da die verwendete Pumpe in beiden Fällen voll ausgelastet ist. Das Thermoblock-Prinzip bietet Vorteile wie Energieeffizienz und schnelle Einsatzbereitschaft (ca. 5 Minuten bis zum ersten Espresso), da kein großer Boiler aufgeheizt werden muss. Ein Nachteil kann die Temperaturkonstanz sein, was jedoch oft auf die Integration in günstigere Maschinen und den Verzicht auf hochwertige Steuereinheiten zurückzuführen ist.

Decent verfolgt hier einen ähnlichen Ansatz wie Sage und demonstriert eindrucksvoll, was möglich ist, wenn ein Thermoblock nicht isoliert arbeitet, sondern durch sinnvolle Tools flankiert wird. Angesichts dieser Entwicklungen könnten Thermoblock-Systeme und ähnliche Technologien (wie Thick Film Heater) die traditionellen Boilersysteme als vermeintliche Krönung im Bereich der Heim-Espressomaschinen verdrängen.

Präzisionsdusche der Decent EspressoPräzisionsdusche der Decent Espresso

Profile einstellen und speichern: Ein Spielplatz für Experimente

Die Einstellungsmöglichkeiten der Decent sind nahezu grenzenlos. Im Test wurde ein Espresso mit einer Brühzeit von 50 Sekunden zubereitet, der ausgezeichnet schmeckte. Dies erinnert an die von Scott Rao diskutierten ausgiebigen Brühpausen mitten im Espressobezug, ähnlich der Bloom-Phase beim Filterkaffee.

Die Bandbreite an Optionen für Durchfluss, Druck und Temperatur ist so enorm, dass man sich leicht verlieren kann. Glücklicherweise bietet die Maschine vorprogrammierte Profile und Zugang zu einer aktiven Community.

Die Bluetooth-Waage ist für die Steuerung unerlässlich. Sie wiegt die Espressomenge in der Tasse und übermittelt diese Daten an die Software, was eine volumetrische Steuerung ermöglicht. Wenn beispielsweise 40 Gramm Espresso in der Tasse sind, gibt die Waage den Befehl zum Stoppen des Bezugs an die Espressomaschine. Die Waage ist robust und Teil des Maschinenpakets, optisch eher einem groben Werkzeug ähnelnd, aber funktional vergleichbar mit einer Acaia-Waage.

Blick von unten auf den SiebträgerBlick von unten auf den Siebträger

Der bodenlose Siebträger spiegelt während des Bezugs schön wider.

Milch schäumen mit der Decent

Für diejenigen, die sich intensiv mit der Entwicklung neuer Brühprofile beschäftigen, mag die Milchschaumfunktion weniger im Fokus stehen. Doch auch hier meistert die Decent ihre Aufgabe gut. Dank eines eigenen Heaters kann unmittelbar nach dem Brühen Milch aufgeschäumt werden (nicht parallel zum Brühen).

Die Bluetooth-Waage kommt erneut zum Einsatz: Die Größe der Milchkrüge kann programmiert werden, und die Milchmenge wird auf der Waage abgemessen. Basierend auf persönlichen Vorlieben lässt sich die Schäumdauer einstellen. Optional kann ein Temperatursensor verwendet werden, der ebenfalls mit der Software kommuniziert.

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Beim Test wurde die Milch zu einem seidigen, Latte-Art-fähigen Schaum aufgeschäumt, der für den gewünschten Geschmack leicht zu voluminös war, da keine Feineinstellungen vorgenommen wurden.

Community und die Decent Diaspora

Ein herausragendes Merkmal der Decent ist die lebendige Community auf der Basecamp-Plattform. Gründer John Buckmann und viele Nutzer tauschen sich direkt aus, geben Feedback und unterstützen sich bei Problemen. Nutzer wie Damian Brakel oder Scott Rao tragen maßgeblich zur Wissensverbreitung, Profilentwicklung und Innovation bei. Die offene Architektur der Software ermöglicht zahlreiche Mods und Skins, die individuelle Ansichten und Funktionen bereitstellen.

Fehler und Verbesserungsvorschläge werden auf der Plattform gesammelt und fließen direkt in die Weiterentwicklung ein. Decent selbst hat daraus neue Builds und Hardware-Updates entwickelt, wie z.B. einen Mühlenständer, der das Gewicht des gemahlenen Kaffees wiegt und in die Software einspeist.

Das Teilen von Profilen erinnert an das Prinzip von Ikawa oder Artisan, wo Röstprofile mit einer Community geteilt werden können, was allen Beteiligten zugutekommt.

Vor- und Nachteile sowie Fazit

Die Decent Espressomaschine begeistert durch ihre enormen Möglichkeiten und das riesige Potenzial für Experimente. Die schiere Vielfalt der Funktionen kann jedoch auch überfordern. Die Maschine eignet sich daher nur für Anwender, die auch die Option haben, bestimmte Funktionen bewusst zu ignorieren.

Wer eine einfache, unkomplizierte Funktionalität mit nur einem Knopf sucht, wird mit der Decent nicht glücklich. Ebenso wenig werden Nutzer, die digitale Formate ablehnen. Auch in lärmempfindlichen Umgebungen oder an Orten, wo eine ruhige Akustik wichtig ist, könnte die Geräuschkulisse problematisch sein.

Für alle, die tief in die Welt des Espressos eintauchen, sich selbst herausfordern und Neues entdecken möchten, ist die Decent ein großer Schritt nach vorn. Für Kaffeeschulen, Röstereien und leidenschaftliche Kaffee-Aficionados ist sie in Bezug auf Preis-Leistung kaum zu übertreffen.

Wir bei Kaffeemacher werden uns ein solches Gerät für unsere Schule anschaffen und in unsere Kurse integrieren. Darüber hinaus planen wir, weitere Videos, Tests und Anleitungen zur Espresso-Extraktion zu veröffentlichen.

Zur Webseite von Decent Espresso: https://decentespresso.com/

Vom gescheiterten ZPM Kickstart zu Decent Espresso. Artikel im Barista Magazin.

Wir haben keine wirtschaftliche Verbindung mit Decent. Wie immer testen und schreiben wir unabhängig, in diesem Fall nach dem Test der Maschine unseres Freundes Patrizio Frigeri, einem passionierten Anwender der Decent Espresso.

Patrizio FrigeriPatrizio Frigeri