Rostock-Lichtenhagen: Ein Bruch der Zivilisation und seine Folgen

Randalierer und Rechtsextreme greifen das Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen an

Was vor 25 Jahren in Rostock-Lichtenhagen geschah, war weit mehr als nur ein rechtsradikaler, rassistisch motivierter Übergriff auf Migranten. Es waren auch nicht einfach Neonazis, die dort das Sonnenblumenhaus, eine Unterkunft für Vietnamesen, angriffen. Die Ereignisse des August 1992 stellten ein Pogrom dar, einen Bruch Der Zivilisation, der bis heute tiefe Wunden in der deutschen Gesellschaft hinterlässt und Fragen nach unserem Umgang mit Fremdenfeindlichkeit aufwirft.

Damals griff ein gewalttätiger Mob aus Randalierern und Rechtsradikalen in aller Öffentlichkeit Menschen mit Brandsätzen und Steinen an, wobei sie bewusst den Tod der Bewohner in Kauf nahmen. Gleichzeitig applaudierten schaulustige Nachbarn, während die Polizei tagelang nahezu tatenlos zusah. Über 100 verängstigte Menschen entgingen dem Tod nur knapp, ein Umstand, der die Schwere und den Tabubruch jener Tage unterstreicht. Dieser Vorfall markierte eine Zäsur: Erstmals seit 1945 glaubten Täter und Gaffer, bestärkt durch eine zumindest unfähige Polizeipräsenz, im Namen des Volkes brandschatzen und morden zu können. Ein solcher Akt steht im diametralen Gegensatz zu den Errungenschaften menschlicher Koexistenz und den Werten, die unsere Gesellschaft über Epochen wie die kultur im mittelalter hinweg geformt haben. 25 Jahre sind seit diesem Pogrom vergangen, doch die Lehren daraus bleiben von brennender Aktualität.

Ein dunkles Kapitel: Rostock-Lichtenhagen als Zivilisationsbruch

Die erschreckende Bilanz der seitdem geschehenen rassistisch und antisemitisch motivierten Brandanschläge, Morde und Mordversuche ist Legion. Als die taz zu den letzten Jahreswechseln eine Bilanz ziehen wollte, musste sie scheitern: Es waren zu viele einzelne Vorfälle, um diese alle in der gedruckten Zeitung dokumentieren zu können. Diese andauernde Gewalt zeugt von einem tief verwurzelten Problem, das über die Jahrzehnte hinweg die deutsche Gesellschaft immer wieder herausfordert. Der Begriff „bruch der zivilisation“ beschreibt treffend, wie grundlegende Normen des Zusammenlebens und des menschlichen Anstands in jenen Tagen massiv verletzt wurden. Es war nicht nur ein Angriff auf Einzelpersonen, sondern auf die Grundpfeiler einer demokratischen und humanistischen Gesellschaftsordnung.

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Randalierer und Rechtsextreme greifen das Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen anRandalierer und Rechtsextreme greifen das Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen an

Wandel und Beharrlichkeit: Deutschlands Umgang mit Fremdenfeindlichkeit

Und doch hat sich einiges verändert seit Lichtenhagen. Damals weigerte sich Bundeskanzler Helmut Kohl, zu den Anschlagsorten in Mölln, Solingen oder Lichtenhagen zu fahren, um seine Solidarität mit den Angegriffenen zu bekunden. Stattdessen brachte er den mordbereiten Rassismus im Bundestag in Zusammenhang mit einer allgemein gestiegenen Kriminalitätsrate und verharmloste ihn so. Hier reagiert Angela Merkel anders: Ihre klare Haltung und das Bekenntnis zu einer Willkommenskultur in Zeiten hoher Flüchtlingszahlen markierten einen deutlichen Bruch mit dieser Vergangenheit.

Damals galten Ausländer, dunkelhäutigere gar, in diesem Land vielen Deutschen als Fremde, mit denen man nichts zu tun haben wollte. Heute bringen bis ins kleinste Dorf deutsche Bürger Flüchtlingen die neue Sprache bei, helfen ihnen im Alltag, unterstützen sie bei der Arbeitssuche. Damals galt in Deutschland das Blutrecht, welches die Staatsbürgerschaft primär über die Abstammung definierte. Heute haben wir ein neues Staatsbürgerschaftsrecht, das Geburtsort und Integration stärker berücksichtigt. Der Übergang vom Blutrecht zum neuen Staatsbürgerschaftsrecht markiert einen epochalen Schritt, ähnlich den tiefgreifenden Veränderungen, die man in der die mayas geschichte der Menschheit immer wieder beobachten kann, wenn Gesellschaften sich neu definieren.

Die Schatten der Gegenwart: Neue Herausforderungen im Kampf gegen rechte Gewalt

Leider haben wir heute dafür die AfD, die vor dem Einzug in den Bundestag steht – und das Asylrecht praktisch abschaffen will. Und auch heute geschehen Angriffe auf Flüchtlinge nicht nur im Geheimen. Wir erinnern uns an Clausnitz, als der Mob eine Flüchtlingsgruppe im Bus ins Visier nahm. Wir denken an Heidenau, als sich dort gemeine Bürger hinter NPD-Flaggen versammelten und gewaltsam versuchten, den Zuzug von Flüchtlingen zu verhindern. Diese Vorfälle zeigen, dass die Gefahr eines erneuten bruch der zivilisation weiterhin real ist, und mahnen zur ständigen Wachsamkeit.

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Polizeieinsatz nach den Ausschreitungen am abgebrannten Asylbewerberheim in Rostock-Lichtenhagen 1992Polizeieinsatz nach den Ausschreitungen am abgebrannten Asylbewerberheim in Rostock-Lichtenhagen 1992

Gemeinsam ist diesen Fällen des öffentlich begangenen und applaudierten Zivilisationsbruchs, dass sie oft im Osten der Republik geschahen, wo Demokratie und Menschenrechte ganz offenbar einer stärkeren Verankerung bedürfen. Die Nachwirkungen der Teilung und die spezifischen sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen dort scheinen anfälliger für extremistische Ideologien zu sein. Gegen diese Rückschritte braucht es ein starkes Fundament an Werten, das an die Stabilität und Komplexität einer maya hochkultur erinnert, um den Zerfall zu verhindern.

Rassistischer Mob demonstriert in Heidenau gegen die Unterbringung von Geflüchteten 2015Rassistischer Mob demonstriert in Heidenau gegen die Unterbringung von Geflüchteten 2015

Fazit: Die Verantwortung im Namen der Zivilisation

Kann Lichtenhagen wieder geschehen? Ausschließen lässt sich das nicht. Doch eines spricht dagegen: Es gibt heute eine breitere zivilgesellschaftliche Bewegung und ein gewachsenes Bewusstsein für die Gefahren rechter Gewalt. Ich bin mir sicher, dass heute anständige Menschen diesem tagelangen Treiben nicht mehr nur im Fernsehen zuschauen würden. Sie würden gegen den rassistischen Mob eingreifen.

Der „bruch der zivilisation“ in Rostock-Lichtenhagen bleibt eine mahnende Erinnerung an die Fragilität unserer Werte. Es ist die Aufgabe jedes Einzelnen, sich aktiv für eine offene, tolerante und menschliche Gesellschaft einzusetzen. Nur durch konsequentes Handeln und das Eintreten für die Grundrechte aller können wir verhindern, dass sich solche dunklen Kapitel der Geschichte wiederholen. Engagieren Sie sich, zeigen Sie Haltung – im Namen der Zivilisation.