Die unersetzliche Rolle von Erziehern und die Bedeutung von Bindung für den Bildungsprozess von Kindern
Elementarpädagogische Bildungsarbeit ist untrennbar mit engen menschlichen Bindungen verbunden. Bildung und Bindung sind eng verknüpft, basierend auf Nähe, Aufmerksamkeit, Zuneigung, Interesse, Staunen, Neugier und Vertrauen.
Die renommierte Familientherapeutin Virginia Satir hat dies treffend formuliert: „Ich glaube daran, dass das größte Geschenk, das ich von jemandem empfangen kann, ist, gesehen, gehört, verstanden und berührt zu werden! Das größte Geschenk, das ich geben kann, ist, den anderen zu sehen, zu hören, zu verstehen und zu berühren. Wenn dies geschieht, entsteht Kontakt.“ Genau dieser zwischenmenschliche Kontakt ist es, der Kinder, Jugendliche und Erwachsene dazu motiviert, eine Verbindung zu sich selbst aufzubauen. Gelingt dies, ist der Grundstein für die Selbstbildung gelegt.
Bildungsziel: Entdeckung der Lebensfreude und Lebenskunst
Wilhelm Schmid, Privatdozent an der Universität Erfurt, betont: „Ein früher Akt der Sorge ist der erste Schrei, eine erste Selbstbehauptung, aber das Kind bleibt noch abhängig von der Fürsorge anderer, ohne die es nicht leben könnte. […] Wie immer der Weg der Kindheit und des Heranwachsenden verläuft, es geht darum, den Umgang mit sich selbst zu erlernen und zur Sorge für sich selbst in der Lage zu sein, soll das eigene Lernen nicht von anderen abhängig bleiben. Nur über die Selbstsorge wird das Leben zu einem eigenen, und nur dort, wo es Selbstaneignung gibt, kann es Selbstverantwortung geben. Sich um sich zu kümmern und doch nicht die Unbekümmertheit dabei zu verlieren – das stellt das dynamische Zentrum der kindlichen Lebenskunst dar …“ (2003, S. 40).
Die Auseinandersetzung mit dem Begriff der „dynamischen Lebenskunst“ eröffnet vielfältige Perspektiven:
- Die Fähigkeit, gegenwärtige, positive Erlebnisse in all ihren Facetten zu genießen.
- Das wiederholte Staunen über eigene Entwicklungen und Stärken.
- Die Herausforderungen des Alltags mit Offenheit, Interesse und Neugierde anzunehmen und sich ihnen engagiert zu stellen.
- Das Erkennen und Überwinden einschränkender, alter Muster im Fühlen, Denken und Handeln.
- Die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen und herzustellen, um daraus neue Lösungsstrategien für Probleme zu entwickeln.
- Die Erschließung neuer Handlungsspielräume durch die Erweiterung der eigenen Verhaltensvielfalt.
- Das Klären alter, belastender „Geschichten“ aus der Vergangenheit, um sich von Verstrickungen zu befreien.
- Die Möglichkeit, sich in möglichst vielen bedeutsamen Situationen authentisch zu erleben und die eigene Existenz als wertvoll zu empfinden: „Wie schön, dass ich geboren bin, dem Leben schenk’ ich einen Sinn.“
Die Gestaltung einer solchen sinnvollen Weiterbildung im eigenen Leben beginnt oft schon in der frühen Kindheit, wo die Grundlagen für diese Lebenskunst gelegt werden.
Die Macht der Gefühle
Jahrhundertelang galt die menschliche Rationalität und Intelligenz als das höchste Gut. Diese Sichtweise hat sich durch vielfältige neurowissenschaftliche Erkenntnisse relativiert. Heute ist klar, dass Emotionen entscheidende Impulse für unsere Denk- und Handlungsprozesse geben, noch bevor kognitive Prozesse greifen. Die „Macht der Gefühle“ (Ochmann, 2003) steuert maßgeblich unser Leben. Führende Hirnforscher wie Antonio Damasio und Joseph LeDoux haben die tiefgreifende Rolle von Emotionen, insbesondere durch die Aktivität der Amygdala, für das menschliche Erleben wissenschaftlich belegt. Auch deutsche Hirnforscher wie Gerhard Roth bestätigen diesen Zusammenhang.
Bindungen provozieren Bildungs- und Entwicklungswünsche
Die Ergebnisse der Bindungsforschung sind von immenser Bedeutung für die Pädagogik und Psychologie und eng mit diesen neurowissenschaftlichen Erkenntnissen verknüpft. Eine liebevolle, vertrauensvolle und verlässliche Bindung, die Kinder in ihren ersten Lebensjahren zu ihren Eltern und anderen wichtigen Bezugspersonen aufbauen, ist die Grundlage für die Entwicklung der genannten „Lebenskunst“ sowie für ein tiefes Selbstvertrauen, Unabhängigkeit und Selbstständigkeit. Diana Baumrind prägte hierfür den treffenden Satz: „Kinder brauchen erst Wurzeln, dann Flügel.“ Nur durch tief erlebte Geborgenheit und Annahme können Kinder ihre „Lebenswurzeln“ in Form von Sicherheit und Lebensfreude entwickeln und sich gleichzeitig vor seelischen Irritationen und einschränkenden Ängsten schützen.
Zahlreiche epidemiologische Studien belegen, dass eine Vielzahl problematischer Verhaltensweisen bei Kindern und Jugendlichen – wie Ängste, Gewaltbereitschaft, Aggressivität, Vermeidungsverhalten oder Antriebslosigkeit – häufig direkt oder indirekt auf fehlende Bindungserfahrungen zurückzuführen sind (vgl. Grossmann, K. und Grossmann, K. E., 2004). Eine sicher erlebte Bindung fungiert somit als wesentlicher Schutzfaktor gegen seelische Irritationen. Die Notwendigkeit von Bildungsgutscheinen für Berufstätige unterstreicht zudem die Bedeutung lebenslanger Lernprozesse, die ebenfalls von einem stabilen emotionalen Fundament profitieren.
Bindungsverluste schwächen Körper, Geist und Seele
Die Bindungstheorie beschäftigt sich mit der emotionalen Entwicklung und den langfristigen Folgen unbefriedigter Bindungserfahrungen. Grundsätzlich werden drei Bindungsarten unterschieden:
- Sichere Bindung: Kinder und Jugendliche erleben hier Verbundenheit, Nähe, Zärtlichkeit, Fürsorge und Schutz (vgl. Holmes, 2002). Sie fühlen sich sicher und erkunden die Welt.
- Unsicher-ambivalente (präokkupierte) Bindung: Hier herrscht ständige Angst vor dem Verlassenwerden, bedingt durch ambivalentes Verhalten der Bezugspersonen. Ein ständiges Hin und Her zwischen Nähe suchen und zurückweisen kann ein Zeichen sein.
- Unsicher-vermeidende (distanzierende) Bindung: Kinder verhalten sich verschlossen, zurückhaltend und unterdrücken ihre Ängste vor Ablehnung oder Zurückweisung, um weitere Enttäuschungen zu vermeiden.
Diese Erkenntnisse sind fundamental für das Verständnis von Persönlichkeitsentwicklung und das Erlernen von Fähigkeiten, wie sie beispielsweise in einer Excel Weiterbildung vermittelt werden.
Grundannahmen und damit Ausgangspunkte für Bildungsprozesse
Die Bindungstheorie, die ein „umfassendes Konzept für die Persönlichkeitsentwicklung des Menschen als Folge seiner sozialen Erfahrungen“ darstellt (Ainsworth und Bowlby, 2003, in: Grossmann, K. und Grossmann, K.E. 2004, S. 65), fußt auf fünf Postulaten:
- Kontinuierliche und feinfühlige Fürsorge ist für die seelische Gesundheit des Kindes von herausragender Bedeutung.
- Es besteht die biologische Notwendigkeit, mindestens eine Bindung zu einer als stärker und weiser empfundenen erwachsenen Person aufzubauen, die Sicherheit und Schutz bietet. Dieses Bindungsverhalten ist gleichrangig mit Grundbedürfnissen wie Ernährung und Sexualität.
- Bei Angst aktiviert sich das Bindungsverhalten, und die Nähe zur Bindungsperson wird gesucht, was das Erkundungsverhalten pausieren lässt. Bei Wohlbefinden kehrt die Aktivität des Bindungsverhaltenssystems zurück, und Erkundung sowie Spiel setzen ein.
- Individuelle Unterschiede in Bindungsqualitäten manifestieren sich im Ausmaß der Sicherheit, die sie vermitteln.
- Die Bindungstheorie erklärt mittels kognitiver Psychologie, wie früh erlebte Bindungserfahrungen verarbeitet und zu inneren Arbeitsmodellen von sich selbst und anderen werden.
(Grossmann, K. und Grossmann, K. E., 2004, S. 67f.)
Bindung lässt sich als ein imaginäres Band verstehen, das zwei Personen auf Basis angenehmer Gefühle über einen längeren Zeitraum hinweg verbindet (vgl. Ainsworth, 1979). Da sich Bindung erst im ersten Lebensjahr eines Kindes entwickelt (Ainsworth, 2003), suchen Kinder im Laufe ihrer Entwicklung mehrere Bindungspartner und entwickeln dabei eine „innere Hierarchie“. Bei Angst oder Verlassenheitsgefühlen suchen sie instinktiv die vordergründig priorisierte Bindungsperson auf.
Sichere Bindungserfahrungen machen Kinder stabil und lernaktiv
Kennzeichen einer sicheren Bindung bei Kindern umfassen:
- Die Bindungsperson wird als ein „grundsätzlich sicherer Hafen“ erlebt, der bei Verunsicherungen, Ängsten und Verlassenheitsgefühlen freiwillig und motiviert aufgesucht wird.
- Durch die Verhaltensweisen der Bindungspersonen erfahren Kinder Sicherheit und Hilfe.
- Bei Sorgen, Kummer und Trennung suchen sie die Nähe zu ihrer Bindungsperson.
- Frühe, intensive Bindungserfahrungen führen zu innerer Sicherheit, wodurch Kinder unabhängiger werden und ihrem Entdeckerdrang nachgehen können.
- Kinder berichten motiviert und freiwillig über ihre Gefühle, sowohl über emotionale Belastungen als auch über Momente der Freude und des tiefen Glücks.
| „Im Grunde sind es immer die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben.“ Wilhelm von Humboldt |
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Prof. Dr. Gerhard Suess formuliert treffend: „Bereiten die Bindungserfahrungen die Bühne für die Erfahrungswelt […]. Kinder werden durch die frühen Bindungserfahrungen gleichsam auf ein Gleis gestellt, von dessen Verlauf abhängig sie zunehmend unterschiedliche Erfahrungen sammeln. […] Neben einer den Bindungsbedürfnissen der Kinder angemessenen Gestaltung des Übergangs in den Kindergarten rückt vor allem die Rolle von Erzieher/-innen in den Mittelpunkt unseres Interesses, die […] auf jeden Fall […]/zu wichtigen Beziehungspartnern zu Kindern werden. Auf sie werden Kinder ihr bisher entwickeltes Weltbild anwenden und dabei Gefühle und Reaktionstendenzen bei den Erzieher/ -innen auslösen, die wiederum dazu angelegt sind, die Weltbilder der Kinder zu bestätigen. Hier besteht die Gefahr, dass sich negative Auswirkungen hochunsicherer Bindungen im Alltag durchsetzen. Erzieher/-innen sollten deshalb über diese Prozesse informiert sein, um schließlich ihre Gefühle und Reaktionstendenzen kritisch reflektieren und versuchen zu können, der Sogwirkung unsicherer Bindungen zu widerstehen.“ (2006, S. 2)
Die Ausbildung von Fachkräften, beispielsweise im Bereich Wissenschaftsmanagement Weiterbildung, profitiert ebenfalls von einem solchen Verständnis zwischenmenschlicher Dynamiken, das auf gegenseitigem Respekt und Vertrauen basiert.
Kinder brauchen mehr und mehr Bindungserfahrungen
Bindungserfahrungen vermitteln Kindern ein tiefes Gefühl der Geborgenheit und fungieren als Schutzschild gegen Über- und Unterforderungen, Kränkungen, Hoffnungslosigkeit sowie Verlassenheits- und Ohnmachtsgefühle. Die schwedische Grundthese „Bildung geschieht nur durch Bindung“ verdient daher volle Zustimmung. Die pädagogische Praxis in Deutschland zeigt jedoch, dass trotz der theoretischen Anerkennung der Bindungsforschung, Bindungserfahrungen in ihrer Ganzheit und Tiefe oft nicht ausreichend von Kindern erlebt werden. Dies muss sich ändern, um die Konsequenzen aus Bildungsstudien wie PISA vollständig zu ziehen und die deutsche Pädagogik entsprechend auszurichten. Aktuelle Bildungsansätze sind oft belehrend statt erfahrungsorientiert, hierarchisch vermittelnd statt gemeinsam erkundend und funktionalisiert statt alltagsorientiert. Kinder benötigen liebevolle Mitforscher, geduldige Mitspieler und erfahrungsorientierte Begleiter, die mit ihnen gemeinsam die Welt entdecken. Dieses Prinzip der positiven Interaktion und des gemeinsamen Erlebens ist auch Grundlage für eine Artiset Weiterbildung, die auf den individuellen Bedürfnissen und Stärken der Lernenden aufbaut.
Dieser Artikel wurde entnommen aus dem Buch von Armin Krenz mit dem Titel „Grundlagen der Elementarpädagogik“. Erschienen bei Burckhardthaus-Laetare.
Grundlagen der Elementarpädagogik
Unverzichtbare Eckwerte für eine professionelle Frühpädagogik
Armin Krenz
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548036
22,00 €
Mehr dazu auf www.burckhardthaus-laetare.de


